@$lttffc beg e^ttljajrö 18701871.
ATH£li££. &OIAL GfiAüD DüOL DE LOXEMBOORß.
DE L'ANNEE SCOLAIRE i870 IS7l,
</tti{iit00ttrg.
Inquriiaari« de Mw» BRtrCS.
187L
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f7
aRCMEn
LUXEMBURGER MÜTDART.'
IBRB BEDEUnniO UND IHR EINFLUBB
anf
VOLKSCHARAKTEB UND VOLKSBILDUNG.
Von
Subiiircctor am Athenättiu.
Einleitung.
Die WLsspiisdiaftlicbe RL-hamllung, welche in M/.tex Zeit deu deutschen Mundarten m Theil
geworden, die vielen poctisclien Erzcup7iis?c, die aas dem frischen lautereu Bronnen de^ Volks!e1»pn!^
entstanden, konnten niclil verfelileu, die regste Aufuierlvhamkeit auf die lang verkannten Mundarten
zu zieheik imd deren Werth und BedeatuDg für Volk und Sdirifiapmche nnverkeiuibar hervortreten
zu l asse n .
Nachdem die mitteklterQdieii DiditADgeii vät dem Erlfiaiieik des rdchen natiooelen Lebeus
Dfuf.-idilunds verklungen, war mch Sprache imd Dichtkunst dem tiefen Verfall anheimgegeben; und
wenn auch eine zweite BHito luwri-r Literatur, die sirh vorzüglich !in die Klassiker dt.^ Alterthums
aalebuto, den hochdcutahen Dialekt, welcher seit dem 16. Jahrhundert allgemeine Sprache des
daatBchfli Volkes, sogenannte Schriftsprache geworden war, schdübar auf den hdcfasten Gipfd des
Ghunses gebraehl, so ignorirte men doch lange Zeit ^dicb die nahronggebenden Qndlen, den
direktsten Errruss des nationalen Ldbens. Der Baum stand zwar kräftig, doch die Wurzeln würdigte
man keiner I'flefic; man dachte sogar daran, dem Volke seinen eigeni<ten Laut zu raulien, die
Mundarten &h Hemmnisse der Bücher8i)ruelic auszurotten und iiineu die farblose Scliiiltsiiraclie zu
subsUtuiren, Erst alä lUc roma$Uviche Schule, in ihrem Sliebeu sich von dem klassischen Giiugelbande
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der Alten loBnram, wieder zn den ecfat nattonalan Tiden des MHteUUers zotfickkefarte and die
Dichtungen der mittelhochdeutschen Periode aus dem Staube hen'orzog, um sie sich zu lAutem
zu nehmen: da leitete dtis Studium dicker I<ostbarcii Sclüitzc und der in ihnen enthaltenen Sprache,
der Mundarten der früheren Zeit, natui-geauisä auf die Beachtuug der jetzigcu Mundarten, und die
Untaniduu^ ^ors^jn ^dffA eine nddie AoAeuin illr Spndtfondinng, Geschichte und Ethnogra-
phie; Die BoibantilDer-^nnE 'dies ist etnes tbrer HanptrerdienBte — twMMen das Studium der deulielien
Altertbvpipii/^itf? 3^e|i;d^."Ciruad zu einer neuen For8chungs\Yeitc auf dem Gebiet der Sprache
und Literatur, niimlicli zu der verf^Ieiclieiuleti Spiarliwissensrhaft. ^Dass di.> vergleichende Grauunatik
eine Aufgabe unseres Jahrhuntlerts sei, beweisen uns die vielen und bedeutenden Bestrebungen, die
auf diesem Feld neuerlich her>'orgetreteu sind, und die der früheren Spruclibehaudluug gegenüber
mit Bedit ab eine vfilUg neue IMsdidin betrachtet werden dürfen^. GlQddiclier Weise traf ndt diesen
Beetrelrnngen das «iedererweekte Studium des Mittelalten im nSrüldiai Enn^ snssmmat, und
was auf diesem Felde Raj-nouard für den romanischen und liesonders Grimm ftr den gothischen
Spi-aclBtamm gelastet haben, ist für die Sprachtbeorie als ein uneiscköpflicheB Material zu be-
trachten." ')
Ein Blick auf P. Trömers Literatur der deutächeu Mundarten (1854), das 44ü Werke um-
fssBt, wocn die Monatisdirift: Hk de nt sdie n Mundarten, lienusgegcben Dr. K. Fkommann,
(6 Jahrg^ge, 1854-1859) zaUvriche Eigloznagen und Berfchtigmigen hinsnlUgt, mag uns von der
Pflege Uberzeugen, der sich nun schon die deutschen Mundarten von Seiten der Dichter und Forscher
erfreuten: es sind dies thcils wissenschaftliche Artn'iten anerkannter Gelehrter, grammatikalische
Bearbeitungen verscliiedener Mundarten, Wörterbijcher u. s. w., theils Werke verdienstvoller Dia-
lektädicliter und Sammlungen mundartlicher Dichtungen.
Unter allen deutschen Mundarten ist die luxemburgische wol diejenige, welche sich den
wiMosehaftUdien, spnehlidiett and ethnographisden FoESchungen der deidachen Gddirten am
lmrt^am%iMm verscbloaB. Durch Herausgabe unserer Wdsthttmer *) hat Ilr. Staatsarchivar Hardt
luxemburgischerseits das erste kostbare Scherflein zum Gesamintschat/ di'iits(ber AlterthUmer bei-
Retra^cn. Ein unabsehbares Feld bleibt indess noch zu l)earbciten: unstire Sitten und Sagen haben
noch keinen sachkundigen Sammler gefunden; was von ihnen in \ülkes Mund noch lebt, schwindet
mmier mdir dahin; mythologische Ankfiüige in SpriehwSriem, Bedensarten, Sitten und BdUiehen
werden immer seltener, und fremde Zunge wirkt immer verheerender auf unsere krtfüge Mundart
ein. Gleichzeitig mit fast allen übrigen AlterthumsgescUschaften Europas war auch unser verdienst-
voller archäologischer \'crein vnrcnft an die Erforsdiung unserer keltischen und römischen Vorzeit
gewiesen und konnte den eigentlich deutschen Alterthüracrn unseres Vaterlandes bisher nicht die
gewünschte Pflege angedeihen lassen, zumal auch im übrigen Deutschland die AnfimdEnnlnt der
Foxscher erst durch die GebrOder Grimm auf diesen Zweig der ArehBdogie gelenkt wotdeo.
Die anregenden Arbeiten eines Hardt und Klein ttber unsere Mundart fanden in Ermanglung
kundiger Benrtheiler nicht die wdiente midtgung und blieben ak phikdogiache Ahhandlnugen
') Bapp, Ver«ucli tiner riiyhiülogie der Sprache, 1836-1841, I, Yorr. III.
*) Luiembarifcr Weist rirmu-r , Nachlose zu J. Grlna't WeWÜritaBMIIl, gtmnmtt tmd «b|f«lailci T. WuÖt,
BegiärDBgwrcbirar iu Luwinbiurg. Lubg., BOck 186S.
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▼om groaen Publikum anbeachtet, woher es denn kommen mag, daas, troti der addageodaten und
gediegensten Beweisführungen, jene Schriften nicht im Stande waren, <len vei-schmähten Dialekt zu
rehabilitiren oder auch nur die plumpen Vorurtheilo zu verdrängen, welche in Bezug auf denselben
in manchen Kreiseu im Schwange sind. Vielfach heisst es, wir Luxemburger sprächen ein verdor-
benes Hochdeutadi und besser ^räre es, «man Mundart ganz zu uDterdrücken, um die hochdeutsche
Sekriftapraebe oder irol gar das Fhunfisbclie anllEiunriiigeii. Glttddidier Weise kaiui*^ nur beim)
frommen Wunsche bleiben; denn nur mit dem Volke märzt man seine Sprache aus, das Volk aber
hat ein zähes Leben. Ähnliche Stimmen erhoben sich im Übrigen Deutschland im vorigen uiid sogar
noch in diesem Jahrhundert, um das Plattdeutsche als Hemmniss der Bildung und Ilindcniiss der
Büchersprache zu uuterdrückeu ; und docli blüht heute noch krüflig dort Vulksielwu und Vüiks-
iipradie. YeAennoi dttrfett nir jedoch nieht, daas ancb wir, trete aÖer nngOnstigen Unatiiidet der
deutschen StTomuug doch nicht so gans Iranl gnblieben sind. Obgleich wir theUweräe ab entfamt
liegendes Grenzland von Deutschland vemnchlä5^"gt wurden, thcihvei.sc aber auch uns selbst dem
fremden Laut und Brauch huldigend L'ntgcgenueigtfii , hat unsere Mundart dennoch einige Tflegc
gefunden, sowoi bewusst in wissenschaftUcher Behandlung durch die beiden obengenannten Männer,
ab audi mnriffidirSch in mtmdavdklwn IMditungen, indem das fiiscbe Volkdefaen der Blndemiaae
ungeachtet dnrehbrach — em» aber ist bis jetzt nicht geschehen: dm heimaäichen Laut hat mm
nicht im geringste» ßr die Volksbildung vertccrthd, so icie man der JMeiHämiM- mui 09-
tehicht^forschung unsere Spradte bislier nicM ausgebeuUt hol.
In allgemeinen Umrissen habe ich eben flüchtig berührt, ^vorülwr meine 'Abhandlung sich nun
weiter erstrecken soll; freilich wird manches unterlaufen mUssen, was anderwärts aufialieu mag ,
was aber hierlands keineswegs vorausgesetzt werden dait
L
Die deutsohea Mimdartan im Allgemeinen. — Die loxemburger Mundart.
1. «Ein Deolonal steht noch mitten unter ODS, svar roannigfiich «adittttert nnd besdiadigt, aber
noch fest und angebrochen, rshib an Erinnerungen an die Vergangenheit, ein lebendiges Zeugnias
unserer Herkunft, unserer Nationalität, unseres innersten Wesens. Dieses Denkmal ist unsere
Sprache." So der treffliche, für die Wissenschaft leider allzufrüli liiugeijcliie kne Kbln. ')
Dieses Denkmal gründet tief in der Urvergangenheit unseres Volkes und gipfelt in der Ge-
genwart noch iebenskrüfiig empor. Nur unsere Sprache vermag die Eäthsel uubeici Geschichte zu
Üben und, «ohin wir durch Überreste tod DenlöilUeni und Waflien nicht gelangen, uns an des
VoDek Quelle n geleiten.
Der Dialekt ist unssre elgenfliebe MnUersprache; er bildet im Verein aUer dentsdien Dialekte
die Grundlage der Schriftspraclic, die aus ilmen, wie aus lebendigen Wurzeln, stets neue Kraft
gewinnt. Dialekt und Mundart haben zuinchst ein grSsseres Recht, Spradie genannt zu werden, ab
*} DI« S^neh« der Lutaaiifaaigfr, Lvnnbf., Bück, 18SS.
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die konventionelle Bücliersprache. Natürlich bleibt dieser letzteren in sofern der Vorrang unbenotnmeD,
als sie alle Elemente der mannipfaltigen dcut,«chcn Eigrnthümlichkeit zu einem harmonischen Ganwn
erfasst und so zur Verti-eteria aller deutschen Stämme geworden. Die Gebildeten der Kation be-
dienen ticli der neubocbdeatschen Sefarißapzadie, das Volk aber qwkht idne ]fiuid«ii.
.Die Spradhe", sagt Grimm, „wie das V<dk in Gaue nad Hitndeite, Hat Bmm in Äste und
Zwejge, zerfiUlt in Dialekte nnd Mondartcn... Dialekte aiiid gro», Mundaiteii Ideiiie Gcecbleehter." ^)
2. Im Mittelalter begegnen wir im eigentlichen Deutschland im Norden dem sächsischen Dialekt,
der aber immer mehr «nnk, und itn Süden, in srharfem Oofjpnsatz zu dieser niederdeutschen ZungCi
der oberdeutschen Spraclie der Franken, Alamanncn und fiaiern, die im Zeitalter der Hohenstaufen
von der riiciiriBelien «dehere Etemenf» aobabm nnd sich als aogenannter altadmlbiadier Dkldtt
entwickelte; am Ende des 15. Jakrbunderis trat dieser MgWch mit dem reichen nationalen Leben
Deutschlands zurück, während im 16. Jahrhundert der neuliocbdcutschc Dialekt entstand, der im
18. schon als Schriftspraelie allf^emein herrsrheiid war. ^Al!e Muiularten und Dialekte entfalten sich
vorschreitend und je weiter niuti in der Sprache zuruokiscbaut, desto geringer ist ihre Zahl, desto
schwächer ausgeprägt sind sie." *) So tCnen denn auch heute in reichem kiitftigem Leben Deutsch-
lands Dialekte ans entgegen, swar noeh geschieden wie ehemals in ober- und niederdeutsche
Zunge, aber innerhalb dieser Grenseu m mannigfaltiger EntirieMsing. nnd nickt die Überreste
mittelalterlicher l^pnuiie, von der nie vorschrcitcnd sieh immer mehr entfernen; ihre heutigt; Gestalt
ist vielmehr wesentlich moiiern, wovon man sich duixli Lesung mittehlterliclier Schriften leicht
überzeugen kann. Die luxemburger Mundart ist wie alle fränkischen unter dem Kintluss des iScbwä-
Uschen und Niederdeutschen zu Dum hentlgen KIdung gelangt Amk «gibt rieh aus der
Gesetuchte d«r Sprache, daas nnsere Hundarten nicht im Stmn der neuen Bildang venchwhiden
werden, vielmehr einen besUMid^n Ebiflass auf das Neuhocbdeutscbe ausüben.^
!. Deianatli treten uns z^vei [.'rosse ?prachfn"ijppen entgegen: die ober- oder hochdeutschen und
die nord- oder niederdeutschen Dialekte. „Die Grenze beider wird bei Abschluss der Völkerwan-
derung schon ebenda gdanfen «m, wo noch heute, von der MQndmig der Boer nnd der Sieg
fisUich nach dem Harz hinauf.**) Die niederdeatsehen Dialekte umfusen: 1. das Kiederrheniiadm
(Niederfrädcische), 2. das Niedersäclisischc; und .). das Preussische. Die oberdeutsche Sprache zerfällt
in vier ;,'ros.sc Gruppen. Eine Linie \on r!e;.^eiisliing iiacli Karlsruhe und deren Verlängerungen
nach den Grenzen deutsclier Zunge scheitieu ober- von niitteldeutsclien Stammen; eine zweite Linie
von den Quellen des Lech, dessen Lauf verfolgend in der Riditung zur Regnitz, theilt das Gebiet
in vier Kreise. Im SttdweMten hemcht der akmasniuhe Dialekt, im SOdesten der bajerisebe, der
ausser diesem Tlieil Baicrns die deutschen Kinder der österreichischen Monarclile unifa⁢ der '
Nordwesten begreift die fränkische Zunge, der Nordosten den obenslächsischen oder ober^lziscben
') desch. d. «laut. Spr. , 2. Anfl.. II, 575,
') El)«nd. II, S78.
*J Vgl 1. 0., V, 8 M2.
*) W. Waekunuig«!, G«Mlt. der dcvtacbeB Lit., § 14.
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(auch ostfräukischeD) Dialekt. Die beiden mitteldeutschen Kreise, ate an das Niederdeutsche grenzend,
enthalten die grüsste MaanigiiBütigkeit der Mandarten. Ich gebe nadistebead eine Übeisiiditstabelle
des oberde^itschea Dialekte:
/ Ii. Schweizerisch. /
' A. AlemaiuiiKh. J 2. EtaKatacb. l
ObeidenMilaod. 1 ' ^ Sch^iWecL
(Unter der Donau.) ) , ^ Baierisch. Z> ^
S, Baienacb. 1 2. österreichisch. • ^ •
( 3. TyroÜsch.
A. Fränkistli (W^t- oder Rlieinfriiokisch)
mit seinem Übergang zum Niederrbeir
Mitteldeutscldand. } nisehen: dem Mtetebheiniadttn.
(Ober der Donau.)
B. Obenächsiadt (QstfrStikiach oder Ober-
pfälzisch.)
Nach Rapp lässt sich mit Sicherheit der Umkreis folgender bedeutenderer Stäilte als dem
fränkiäclien Organ angehörend betrachten: Luxemburg, Trier, ZweibrUckeii, Weüöenburg, Siniier,
Wenns, Ueidelberg, Mannheim, Darmstadt, Mainz, Frankfurt, Wiesbaden, Wetzlar, Fulda, Hanau,
AachaiEBiibarg, ]dCargentlNiro, WOrzbnrg^ Arnbach, Eileogen, Banbeig, Sdiwebifiut, Kobiurg und
0
4. Ursprünglich waren die Frankon, die zuerst als r»e\vohnnr des Nicderrheinf« orschcinen, eine
niederdeutsche Nation und ihre Sprache nictlerdeutsch. Sic drangen immer mehr nach Süden vor,
und schon nach Chlodwigs Tod (511) hatt^ dessen vier Söhne, Bdierrschcr des noch vereinigten
frünldBcfaen ReicheB, ihre Sitze in Mete, Orleans, Faito und Soiasoos und erwdterten das Rdeh
nach Süden durch Resiegung oberdeatBcher St&mme. Die Sprache dieses Stammes erleidet nun
wesenthche Abänderung und nähert sich allraälig mvhr dem Oberdeutschen. „Dii' Franken, wie sie
vom Niederrhein gekommen, mischen die Eigenheiten beider (niindich der nieder- und o! »erdeutschen
Zunge): iu den Vokalen und den Zungenlauten folgen sie der niederdeutschen, in der Liebe zu
Kddbaudien der oberdeatechen Art, ja fibobieten diesa nodi an Banbheit.'' *) Vom eeebsten
JabrhmkdCft ab mr der Fnudcen Berrscbaft in Oberdealsehlaad festgctsriindet, und die nun
beginnende altiiochdeutsche Zeit bis zum Ende des elften Jahrlunidei^ war wesentlich eine Literatur
des; r lankenreichcs. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist auch die obersächsische ?ia;ulio /unjicläst auf
das Fränkische zuiTickzuführen, da nach Besiegung der Wenden fränkische Kolonisten in Ubcnsacliscn
antfasg wardea.
Die Inzemborger Mimdart ist, als der fränkischen Zunge angehörend, weeenfUch hodidenfseh;
und irena auch die 10,000 Saduen, wSxS» Kail der Greese gegen das Jahr 804 zirisefaen Maas
*) ü. hierülMr Nibetea: B»pp a. «. 0., IV, gfi M4, 145, 161; Frommunn, di« dentufaen Mandarten,
L Alf. 18, 158, 154.
*} WaAniii«g«t s. i. O, § 14.
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und libein vei'pttanzte, uns neue niederdeutsche Elemente zuführten, m horte doch der hochdeutsche
Dialdtt Hiebt «nf, den Gnmddwmkter lunerer S^pnche su bildea. Uogefittir auf deniBdbeii Vf^
eateland die neahodideutocbe Sdiiffla^^ durch AnfiuüuM wcidierer njedecdeotodicr Eignet
vollere, rauhere obcrdeutssbe Eigenthümlichkeit. So steht denn unsere Utndart der jäadgen
Büchersprachc sehr nahe, wenn nicht, wie ihre Mnkiachen Schwestern , am uichaten van aUen
oberdeutschen Dialekten. ') •
Um den gedrängten Gang der Abbandlang nicht zu stören, verweise ich die Übersicht der
charaktcriiichea Merknwle des ftSaklBdien und S|^edell des luxemborger Dialdcts in den Anhang I,
ao «je tine vergteichende ZuaamipeMlellaiig der laxembnrger mit der FraokAurfeer Handart.
.'). In rem philologiscliPi Be/Iohimg haben sich Herr Staatsarchivar Hardt, früher Professor,
(Vocalisinus der Sauennundart, Pruur. v. Echteriuuli , 1>13'). und der verstorbene Klein, (Die
Sprache der Luxemburger, 1855, receusirt in „die deutschen Mundarten", 2. Jahrg. p. 526),
mit unserem Idiom beschäftigt, beide hochherzige Männer, die, sich über Yorurtheil hinaussetzend,
der Verachtung des Mntterlautee siegKidi zu begegnen und die VemaddHaBigang deneftiett, so
in ihren Kräften stand, wieder nachzuholen suchten. Diese Männer haben in unaenui Vaterlande
cini' Bahn geVjrochen, auf der allein unser Vollv zinn rnt.schiedenen Nationalbewu!??fspin, zum wahren
ratrioti>iims, zur tiirhtifren frefetipen und sittlichen Entwicklung gelangen kann. Seither erfreute
sich auch unsere Dialektii^foesie einer gruaseren i'tlege, und unsere Dialektsdichter haben gezeigt,
daaa unsere Mundart nieht aUeitt dorn Banhen und Wvialen, aondem auch dem Zarten and Eddn
Auadrock an Idluaii vennag.
AnafiiUirlieher ab Hr. flardif , bat Bich P. KU» mit dem Gegenstände befamt und ihn tmi allen
Seilt n xit Iwleuchten gesucht. Wenn Ilr. Ifortlf noch 1843 schreiben mosete: »Ob die luxemburgischen
Mundarten diese Vemachlässitnin<f und Hintanstellun':; verdienten, wüsstc ich eben nicht; der Grund
davon ist ein ganz anderer, doch möchte er beleidigen und darum lieber still! — Über Kutzen und
Zwecli derartiger AiMten mich ansziüassen, um vielleicht einem Hohnlächehi, diem aiHMdigen
Adisdsudten oder gar noch ctwaa Schümmerm dureb eine vorttnfige Antwort an b^egnen, Udt
Ich für veriiehliche Mühe: wird doch 80 vielem das Priidikat unniilz heifjelegt, weil es eben nicht
augenfällige Vortheile abwirft;" — so rügte Klem 1'2 .\ah\c später mit scharfen Ausdrücken diese
Vernachlässigung und Verachtung unf^res Mutterlautes, unare^ innersten Wesens, unserer NationaUtät,
daa entwürdigende Liebäugehn mit dem Fremdländischen.^) Mit Liebe und AVärme hat sich dieser
'j Vgl. Kapp a. a. 0., IV, g 161.
») .I>io diT.tfch'^ i^ir.irlip", sa^t ar in seiner angeführten Schrift, S vT., .beginnt «ieh im Volke immer m lir
ü<;ltTing zn Tcrschsflen. Ditj- nigon unter den GebUdctw, die d«n Hutb b»b«n ücb über da« fremde Hodcweten
hinanaznaetzcn , lernen ihre Muttersprache inmitir mehr «luKgeil md tdlMH cts, d«a> nur Unwissenheit, Leichtsinn
oder hohle Ziererei eine Sprache TerMlinfht , anf die wir mit Recht itolz sein drirfen. Der alte dcntedie Silin thnt
«ich bind in «Hein, wm »ob dem Volke eelhst aasgeht. In allen seinen Verhandlungen, In »einen Vereinen fat Hl»
acutsfln' Sprarli- die vorherrachonde. Dies erstreckt »ich so^rar jiuf ■\w H.-inp'.'t.i'it , die Jocli iL-n Modewost der
Auslanderei am sorgfültigstcit bewahrt und am meiiteu dazn beiträ^ den alten luxembwrgtT Charakter sn Grunde
SU lichtcB. Baim hier wird der neaUiiif , der rieh Iragim M au dnfeijifeet, «ad toh jeher geelreU hat
I
— y —
Maiin seiiRim Stoffe hingcgelien , und \v:i;< anderca nur gemdme Mundart acbdDt, WAr ihm das
Kxwtbarste, «as unser Volk aufzuweisen bat. ')
Ti, ?r!ion ans dein bisher Mcsafrten erhellt die liedeutuu;; iler Mumlartrn tüi die dcuUicUe
(Icsanimuprachc, die, aus ihiteu catätaudcD, jetzt füruiell vollendet vor uns :>tclit uud äch
znrilckvieiscnken muas xa ihren Wursda, -um sidi durch reichen WortBchatz und lebendigen Volka-
ton und Ausdruck neu 2tt fortschrcitiender Zukunft zu beleben.*) Angiesichts der Thateaebe, das
aus siiiuintliclieu Dialeltten eine GeiUldetensprache erblüht ist, die von allen deut^eclicu Stämmen
verstanJen wird und dieselben zusammen hält, hat Tiapi's Ik-Iiauiittiii!: nichts AulTalli ikI» dass
„uuseru S4 hriru>pradte in der lukhstkünfti^Ta Kedaktiou unseren iJiaicktcu ähnlicher selic-o wud ah
der jetzigen Sdurift*; nnd dies kann nur zu ihrem und der deutächea Völker Vorthe;! geschehen :
ieaa eineiseitfl hegt besonders die oberdeutaebe Zunge noch cuie FüUe von Etementen, die, dnntal
in die Schriftsprache auf^^euoiiinicn , dieser ein ^'rüssercs, allgemeineres Natiunalgepiäge geben
werden; audrerseit'-: wird iIlf ■Muiiftai ti m Verhiiltniss zur Hclirift.^prache ein viel innigeres werden,
ohne dass dadurch die Scibst^indigkeit der erstcren gefäludct würdf , srlbst nicht in dem Fall, dass
die Büchersprache einen grüsserea Eiufluss auf die Mundarten ausübte. Ist es doch eine Veibindung
gidcbartiger Elemente, die durch ihre Aasimiktnn umuüglich ebie unntttQrlicIw St hiiitfung hervor-
himgen können! So «ie es von jeher war, wird es auch in Zukunft bleiben — es besteht ein
Antagonismus so\\\»l zwischen den nachbarlichen Dialekten als aucli /wischen Dialekt und Schrift*
spräche; aus dto?ioni Aiif,i!ji>Ti!-i!uis, der an sicli niifits Feindliches hat, gehen die Dialekte nur um
so reicher und uiouai^talti^er hcnor, obgleich hic uud da ein trefdicher Ausdruck vei-sdiülleo sein
dnidi g>Utte», seUmmernd«« XitMere mu» airtrteiilff m lUMhen von der HxrH^jiefi Sttmetart vimgrcr Väter, mit Liebe
güln'fft und mit Sorgf.ilt prossgi zoseii. Hü'i' b stehen nufli die Knis«' der soeeiiannten höluTcn, p'l rld t rii Gtscll-
gchaft, die. selbst wenn üie dus Itanm-r der VnlkstliQnilichkeit .in.istci ken , »ich dounocli iu vornehiu tliinken dii>
S|ir!irhe ihrer Vüter zu roden; dii- den Vorsclilajr. Jas a-aslündiiclic Unwei«en iibxnle'jen und mehr inner«? (itsiiepcnheit ^
ala ixmaee UUnztilaebe zu eratrotten, init ironischem Lächeln nnd bemitleidendem Achielzocken crwicdero würden.
I>ech de worden in nmierm Lnnd« i«n CS«i«t der Zeit, dar Sbenll das Nationnle, Vollntlillniücli« cnr Oeltnnir n
bringen suohf , kein Hindernisi* s.'i«. Bald wii4 kein r>eT:t= ti-l nti tnburtfcr mehr nsrh ■ iii'-r frrin.l :i SuraiV. ' '^r^ lt u. .
Wenn er stjiw *;igauti MuttcrMpracUu zu g<:braudiou weiss, die iin Keiehthum. Ivtuft uuil uiiiiiiU<:liciij \Vi,lilIljßf,'
keiner andern nadnteht.*
') Für den Oranimatiker t;iht <-s eben m woni« etwa« GvmeinH J>]> (Ür den XAtnrfoneher. Der gebildete Menach
nItiTirt »timi Sprache nach bekannten n<-^eln, der Grammatüctf lut da tkMa M. Itmen; der ffanMiw MM», der
«eine Mm t ili p^issiv ük'rkomnit , iiiebt darüber r tr^lirt, wird dadorek «in« lebendig« Quelle der TVndition. Rapp
in Kromuiann's »Diq deutachen Mundartoii", II. Jhrg.. 102.
*> Die wimemcliaftliclie B<.'«i1ieitvn«r de« alten Scbriftthnm s«if(t die Omndlaf;« nnd EHtwMrlnDgiigcsclikhte
onserer Sprarlic. -mj vcrirleichende Sjirftchftudium bringt di ■ ("I.sriie der Oenc»i« der S|>r*elien übcrliaupt
T.mn Hewii?stsein mi i .1: Kons nuiMin n daraiu für die unsere. Itwbesoudcro aber dürft« die Aus- und Durtbforscliuinf
der deutselien Miinn ii:« , /i ti Bt m Einflni» für die kltcndige FortlnUnag maerer Spiacbe sein. Frammann,
di« deatechen Maudttrten, i. Jkiri;. , I*.
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matr. und manches Bild, manche Wendung der Dialekte verloren geht.') Wo aber der Kampf einen
wirklich feindlichen Charakter annimmt, ist viebncht an den Grenzen gegen die fremde Zunge, und
Irier gilt es, mtt allem PatriotiflDras und der luttaKigeiwii Z]Ud|^ der Völker, ihie KgeniliBB-
lieUceit pninugeben, lieh gegen das Firemdlindinlie m «triUibfln, wran ea nleht mSglkli iit,
riegicidi avfeatieten. *)
7. Die Verschiedenheit der deutschen Muudart«u uutereiiiander ist mannigfaltig, doch stehen sie
in demaelbeii Verlialtnias «je Speziea n Spedes iooerlialb des anifuwndai Genus; jede Huidart tet
ihre Geacbidite und BeHMlindi^keit, ohne daas die eogate Terrnndtsehaft natar flmen anfgehftt
hätte. In dieser Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit mag der Charaklemg des deatschen Volkes,
Bich poliUj-oli in Stäintnc zu zersplittern, seine Erklärung finden. Dürfen wir uns, der Zerfahrnisa
deutscher Kriifte gegenüber, glücklich preisen, dass ^ne reiche, vollendete Gesammtsprache aller
Stämme Geist umfaart, so ist « fUr die geistigsittlid» l&twicklung des deutschen Volkes nicht
«en^er vorthdlhaft, dasB dnrdi die IbnnigfdtilglDeit der deitiachen V(ai»relhnnie& dne CentralU^
rung deutscher Bildung unmöglich ist Es ist ein grosses Unglück für eine Nation, alle Stämme in
die Etleiclii', lancrwellige Jacke zu stecken. Die Schriftsprache sei immerhin fiir die dcutiilit-n Völker
,da.s band der Herkunft und Gemeinschaft", aber zu Hause lasse man ihnen die pemuthlicbe
Mundart. £ti wäre wenig praktisch, die Mundarten /u verdrängen und durch die Schriftsprache zu
enetzen, abgeadm das dies kdn n hsidit Stüde Aiheit nJire. Auf dem sprodillcliea Gebiet darf
nichts gewaltaam geac]idie&; was reif zu sterben ist, vrird eluMhin sterben; was- aber nodi Ldiena-
kraft birgt, soll der Pflege nicht haar geben. Zudem bleibt zu bedenken, da ? in der Volksbildung
die Mundarten naturgcmüis zur Schriftsprache überleiten, ohne das Individuum von den dialektischen
Errungenschaften loftzuUrennen; dass sie femer, abgesehen von ihrem sprachlichen und historischen
Werthe, am bcstm den Naüonskhankter herndven und die Schrift^rache adber durch den
bestSndjgen Konflikt der Formen in nie absterbender Jugendfrisdie erlialten.
Die Tietfodi noch sehr verbreitete Ansieht, als seien die Uondarten nur eb verdorbenes
Neuhochdeutsch, ist vrol keiner weiteren Widerlegung werUi, da äe auf völliger Unkenntniss der
Gcsthiclite der deut<vhpn Sprache beruht; bedarf es doch kaum der Bemerkung, d;vss die Dialekte
nicht ein durtii die Zun;j;e des Vulk&s verdorben«? sogenanntes Hochdeutsch (wie Dian die Schrift-
&prache häufig be<Miichuet), sondern da^ sie die Wurzeln des I^aumes sind, der jetzt als Schriftsprache
sich zum alleinigen und aUgemeisen Tilger der Bildung der denlnhen Nation eihoben hat.
8. Die Mundarten sind für die Völker, was das Blut in der Familie ist: sie sind eigentlichst
Muttersprache. »Die ersten Worte veruiimnt der Säugling an der Mutterbrust, von der weichen und
sanften Mutterstimme ihm entgegengesprochen, und sie scluniegeii sich fest in scm reines Ge-
dAebtniSi bevor er noch der eigenen Sptaehoigane miiditig geworden ist, darum heiaBt sie die
Mutto^che und so erflttlt sich mit den Jahren hl sehnett erweiterten Kreisen ihr Umütog. Sie
') Wie tis Jeu Baumen da« VVuUles versagt iit alle; Äst-e, dem Awt alla Zwtige in gl' icii.-T Reiiie za traiben, so
werden anch Sprachen, Dialekte, Mundarten neben und durcheinander jcehindert nmi z-i;,'l-i<:h jefldtet! twheb«»
xiutiekbloibendcn ragen erblühende deat« hnriiohar m. OrilDm, Gowh. d. dent. Spr. , Ii, 578.
») Vgl. KUitt a. a.'O., S2-84.
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mmittclt HUB «n unvortilglMntin Hdimt mi VatarlnMl.* 1^ «ntan Wwte, die
Säugling eDtgegentöneD, sind die -Mundart; in ihr wächst er a(if> mit ihr verwebt sich Gefühl und
GedAoke, und selbst der Gebildete kehrt in hebaglichea Momenten zu ihr zurikk. Die Spniche des
Volkes ist zunächst Mundart, ehe sie in üem allgemeinen Charakter der deutachen Zungen, den die
Schriftsprache vertriu, aufjgdit TroU des gemeionneB Gepräges mbst rieb Jede Mimdart «lIMeiat
iliie Eigenüittmlfehkeit; jeder DiekU tat nierak er selber, bem er eieb ab eme» eicb bi den
gemeiosamen Verbände befiDdendiw erkennt, und für das Volk mag der Abstand von Mundart und
SolirifLsprache wol eben so gT<m sein, als für den Gelehrten der :^\vi.sohen >[utt#rspracho int weiteren
Sinn und den übrigen indogemmnischcn Sprarhsfilmmen. Man ge.stattc mir hier einen Vergleich.
Das Individuum steht in enger \'erbiiiduug mtt auüerea zusauuuen zur Bildung der Faiuiiie und
gflA ent in weiter gezogeneni KKiie deu Staattbüiger ab; ane der FamBle gebl der Soldat, der
Beemte, der König berver. Wa die Fbniiiw die Gnindiage fUr den Staat iit, wie dme Familie der
Staat nicht denkbar wäre, ebenso bilden die Mundarten eine sichere Grundlaj^e, eine Quelle zur
15<'rcicherung der Schriftsprache. Die glänzenden Erfolge des Staates kann mau zwar der ein-
zelnen Familie nicht viudiziren, alle aber haben sie hervorgebracht ; so mag die einzelne Mundut
den wondeilMren EieebeiniiBgen der allgenuiiBen Nationa]fit»atur lebeinbar entfernt Btdien» den
Grund das« bingt aber jede. Ehe «ir ebw Sdirift^taebe besanen, ipracb und dichtete man bn
Dialdt. Ebw Gesanuntwirkung vermag er allerdingi nicbt bertombrbigea, In engam VofkBatBmne
aber wirkt er sicher mit grösserer Intensität.
Die farblose Schriftsprache könnte Um Volke keinen vollsliindigen Ersatz für seine Mundart
bieten, deren es sich inuncr mit Vorliebe bedient, da .sie mit seiner kernigen, kräftigen Natur im
voUsteu Einklang steht, durch uud durch mit ihr verwachsen ist und seiner Gemüthlichkeit einen
crnngiioeen Ausdruck gestattet Welch Woblbebagen empfindet nicht selhBt der Gdiiidets, «enn es
ihm Im Kreise d^ Fa|pj]ie oder der IVeande vsrg^rot M, iS» tnmUdie, gawtttbli^, brndUebe
Ifnadart zu q^euen.?)
*) Qrinua, Üb. d. TJrapr. der Spr., Ikrlio. 18-52, 8. tl.
*) Min Modervprak , wi klisgat da icbBnJ
Wa bOat da mi vartratl
W«er ok nria Hut m BtaU na
Dt dient äm Statt berat
Da l)Ö!rst min gtiwi;' Xacl; so licht
Aa Moder mit ern Am,
Dn fichelst rai nmt Angatfaht,
Un still 18 alle Lärm.
Ik fohl Uli M en lüttjet Kind,
De ganze Welt ia weg;
Da l'ust mi as 011 VürjatiriiWind
I>e kranke Boss toreolit.
IGn Obbe folt mi luwb de Hann'
Vn nggt to mi: Nu Iw!
Ifn .Vitderunser* fting il m,
As ik wul fri^er de.
Un fohl 10 deep : dit ward yentan ,
So tpriclrt dat Hart lik nt,
Va Bat vaa'n naaNl mikt ml tn,
Um AHM it mdder gut»
Min Vodenprak , so glicht n
Da ole frame Red!
Wenn blot en Hund, .min Vadar* wggl,
So klingt mt aa en Bad.
8o berrli klingt mi kcen Hank
T7n singt kccn Nachtigal;
Mi lopt ja glik in Ogenblick
Pe hellen Tliran hendal.
(Ao9 JQaiu Üroth * .(joickborn, Volkalebon in platideiU-
OcdlehtM ditmaiMhar Mnmdut.*)
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9. Die Mundart ist die Sprache des häuslichen Lebens und zum gn~«8tcn Thcil auch desbOigciv
lichen Vprl<ohrs. ,Zu ITius, unfor den Seinen, redet der Afensch nachlässiger, al)er bobaglicher und
vertrauter ul-; gegenüber anderen und Fremden otlcr s(Hi»t beim Niederschreiben s<^iner Gedanken...
Jede Mundart Ist Volksmundart, heimlich und sicher, aber auch unbeholfen und unedel, dem bequemen
Hauakleid, in welchem nicht anegegaugea wird, lUmlich. Im Grunde sträubt tich die sdfionge Himdart
irider das ntisehende Fipier» wird aber etwas in ihr aufgeschrieben, se kann es durch treolierzlge
Unschuld gefallen: gros^'und ganze Wirkung vermag sie nie hervorzubringen." ') Kür ihre Zwecke
genügt iiii- Wort- und Formvorrath vollständig. Wenn Orittnn der Mumlart rnheliolffiilu it und Manjrel
an Adel vorwirft, so ist sie im CJegensatz zu der im lieiche der Wiüsjenecliaft und höherer Biiduii': sieh
bewegenden Schriftsprache au&u&sBen ; in diesen Anaibneken des groesen Sprachfoi^hcrs, die gewiä:^
hier rektiv m fessen sind, ttaan Iceineswegs eine VeraebUuig dar Mundart liegen. Ich käse dahinge-
stellt, nb das Betiucnie zugleich unbeholfen sein mu&s. In der Spblire höherer (ieistestbatigkeit fehlen
dem Volk ilie Begriffe: konnte nun in Folge di-s^en das Bediirfni5?s der hefrefTetuien Bezeichnung
auch nicht nulki mimen, ii^t doch gewiss, ihi^ die Volkssprache die iebensfnhigc Wur/cl dazu enthält.
£ot&teht aber das Ikdiirfniüs eines Worte» behufs Ausdrucks eines hoheru Bugriöes, so dürfte die
Mondart den dazu konelnirten A u sd ra c k der Sehriftspmehe sidi mit deoiselbea Hechte vindiaren,
ab diese es anfiiaglieh in fiesug auf die Hundart gethan ; denn die Schriftsprache entwidcdt ver-
edelnd, oft vergeistigend, nur mundartliche Elemente. Ucbrigens braucht die Volkifsprache dieses Recht
nicbt zu beanspntclien, da es ihr leicht ist» aas eigenen Mitteb» den trefieuden Ausdruck m sduffen.
10. Unter den eigentbümlicben Vorzügen der Dialekte wird besonders hervorgehoben „die im All-
geroeinoi tidm ^bmqikät des Ansdrucks, das engere Anadunisgen der Benennung an den Gegenstand,
der Vorrath mancher tr^nden Bezeichnungen, wddae die Schrifbqiracfae nicht hat, die grossere
Leichtigkeit für neu aufkommemlc Dinge und Ikgriffe aus eigenen Mitteln den passenden Namen zu
bilden. *■ *) Die Mtiniiart, i>t rs'i'ht eigentlirii die officina vcrborum, so wie i1;ls TTatis: die offu mn 7
humum. Hier entsteht diis Wort, indem ein rudimentarischer Laut vom Vulksgeiät ergritfen und zum
Wort erhoben wird. Die Sihritiäpracbe darf sich durch Aufnahme dieses Wortes, der dem Dialekt
eigenslen Schßpfong, berdcbeni, dassdbe dnich Beranzidien in den Kreis Jener AnadrOcln teredeb,
die in der aUgemeinen BUdmigsBphlire gehraueht «erden. Der Yolksspraehe wird dadurdi nichts ent-
') Orinun, OeaelL der dmt. Spr., IT, 574.
Froinmann a. a. 0., II. Jlirg., 100. Wi-iter hoisst es in .Uirj;. 1., 112: Noch ist den Dialekten manelier
Vorth«!! geblieiMo, der noierer Scliriftepncho abgeht. TiMlicb nud zwaDgalM «dimkgt «ich der VolkuHlialekt mit
ToHer Sielierhnt an die Tontellniigeii, welobe er avadiliekeii inll, md aictit selten etelien Oim auch goiulU^c Fonnen
noicn der!' 'II un l r;i'ihcn zu Gebote. Kr hat einzelne Ton der höbern Spr.i -In lä-i^- t auf^egfltene Taufenden des
Alterthunis bewahrt, und besitit namcntlirb ron dem Wohllaute der alten Formen wie zufSlli^ noch kleine Thcile.
Hat die Volkssprache nun nurh den Keim it ir V. r. ilunp eingebOMt. der in den alten Dialekten lajjr, »o bit ihr dageg'en
ihre unachahmliche kindliche Naivctät, die Urtpr&ngUchkeit ihrer Anachaanngiweiae nnd Tieler ihrer Bilder und
Wendungen geblieben. — ünd «Ket ffitt nns ale der edle Kern der IHalekte. der riner lieberoRen Besehtang nnd
einer sorfrliclien Pfl i^t w. rtli i-it. — V;,'!. auL-li C\\. Xiiticr, ü>u»Tea (p?u'!iil.i;,qe) , iJrux., 18.''.'t, S. 225, der dem
Dialekt Bestimmtheit und Reinheit des Aasdraeks, Xierliehkeit und Anmuth zu— ,deQ Iteicbthum jedoch abspiioht,
aber »1» daen V«mg der Kindartea g«lt«B luaen wOL
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sogen, die Sdiriftapndbe aber datf sich um ao vreniger mit Veraebfung Uber den IMafelct erheboi,
ab «ie von deaeen Broauiiai lebt
11. Sehr treffend fonnulirt KMn den Charakter der luxembui^er Mundait: gAIs dcuUjcher Dialekt
triigt wiBeie Mundart die «eeentUcben ChuikterzUge der deatschen Spadw überbaupt an eicb,
Etendidikeifc und Kraft; ab Vdksmnndart tlieüt sie mit anderen Volkaq^radien die travlielie Oemllth»
licUieit, die treulierzigc ünaciiald, (Vw frische Natürlicbk^t, die ungelcUnstelte Oöenhcit und Gradlieit,
die bei einem unvordorbenpn Mptis( hoiisclila^' stets der unmittelbare Ausilrtick rinos naturkräftigen
Sinnes sind." *) Wenn unsere Mundart auch viele Ausdriickn der Sdirittspi arlic nirht besitzt, so birgt
sie dagegen eine Menge Wüiter, DUder und tieffeuder Ivedenä<iiteu, die der ncuhocbdeutscbca
GeBammtepraebe fremd fümL In der oben angeflUirten Sdirift *) dtirt Klein änheimiidie Ausdrilclm
für Adtecbau nad Viehzucht ; die Zehl dnndben liesse äeh leiebt Tormebren und auf andere Zweige
des VoHiriebmis ausdebnen«*)
12. Ob die Behauptung, dass „die Volk^pracbe den Keim der V«wdbing* der in den aften
Dialekten big, eingdiOaBt habe", ^ nicbt dner Widerlegung fXhig «ftre, «Oaste ich nlcbt Die all«
Zweige der Bildung beherrschende Schriftspracbe vird zwar nunmehr keinem Oialebt geatattev, rieb
zur Schriftsi)ra( lu /u entfalten, was auch keineswegs zu wünschen wäre: doeli rauss zugegeben werden,
dass, falls das deutsche ^'()lk ni)( )i keine rJesammtsprache besiisse, ein Dialekt sehhesslich als der
berrscheude auftreten und daä Organ der Bildung abgeben wurde. Jede deutsche >lundart hätte zur
Veredlung bt Gestalt ier Schriftsprache herangezogen norden tomnen, weil alle dta nämlichen Grundr
demente enthalten. Wenn Grimm *) sagt: .Die Mundart bat LebenswHntae, Badungawärme gdit ihr
ab", so bezieht sich dieser Aussprodi, wie atts dem Zusammenhang zu ersehen, nur auf den gegen-
wartigen Stand der Mundarten gegenüber der S( liriffsprarhe. Was Leben«'wärnie hat, ma? zwar mo-
mentan der Bildungswärme entbehren, ist aber unbedingt dcri>eiben fähig; was Lebeikswiiinie hat^
muflB den Keim zur Entwicklung, zur Veredlung in sich tragen. Iteas dieser Keim zur Entfaltung
gelangen mms^ wird hierdurch keineswegs bdtanptet; das ei'a aber in gegdienen UmstXnden toin,
ist eine unleogbaie Wahrheit, oder das Lebende mfissta der Bildung und Veredlung unfühig sein.
13. In ihrer jetzigen Gestalt wird die Schriftsprache nie allgemein gesprochen werden; sie
') UnaiTC dcntMrlicn M:ni'!iut'Mi sim! zum irrossen Theile die leiblicWn, einst ehonimrtiffcn Inv, stcni Imch-
dcutsolion Sprüche, sio sind die kiuftiyt'ti, di iu unverfälschten deutschen S|)rachj»eniuB entquollenen LauU" vieler unacrer
Altvordern und Viter, in denen manche wichtige, deatsehe Anf^olegcnheit zur Entscheidang gekommen ist, sie $ind
dü Mtaidigm SfraekqudUu, in dtae» dar OtiMt des Votket tu aduffe» nicM aufgehärt hol und fortwähraid tmamr
fdlgm n nm Sfiudte KaintHg Mu(ti«t$en läiat. imd wm d«n VandaitMi einen noeh mdiT ab «inemchnftlicben Werth
verleiht, sie sind in einigten Ländcni i1. ut^i> li. r ZirnfT'*'. ■wnlrh" l^Mor vom £r< mcin«ftmcu Mutterlande atij. risü. ii «ünd.
die rafichtigen 'Irüper der deutschen Katioualitüt, die allen Ängritl'en mul f^türm«u Troti bieten. Firmünich, üermaniena
Völkerslinimen, Vorred>.
') Die Sprache der Lnumluirger, 85.
•) Ebend., 80.
') Vgl. ehsnJ., 87 fg. — Dies Mchlügt jedoch nicht in meine allgemein gelialtene Besprechung der Volka-
mundart ein ; ich bemerke noeh, duB ein gntes WSiterlnicb der luxeraborger Hnndart nocli immer sa Uefeto ist.
*J S. oben, S. 12, »).
*) Dentaehe Gnmnntilc, ISSS, Vemde XIII.
14 —
•wird immer als Organ der Bildung über dem gempinon Mann und seiiiem Dialekt scliwfbt'n und
nur in drin Maasse tiefer in das Volk eindringen, als sie mundartliche Elemente in sich aufnimmt
.Was unsere Dialekte betrifft, so ist ilure Existenz gesichert durch den früher ausgesprochenen Grundr
wtz, da» die Ökonomis dar Natvr nie einen plifdologisch jüngeren Dtakkt durdt «nen iUteicnraf*
idiren und TemibUn ttait Dm die plnttdenteeiien Ifnndniten ine HwMaHüdie mit der Zeit
aufgingen, wäre noch denkbar, nie aber die Dialekte, die in ihr^r Kntwickhtng Uber dieses hinaus-
gescliritten sind. Bald sind es fünf Jahrhunderte, dass die heutige Redaktion unserer fVhriftsprache
einen testen Boden sieh beluiaptet hat Lassen wir noch so viel Zeit vergehen, so wird m nicht mehr
tfCeelbe edn können. Freilich wird alsdann weder unser Sehnibiacii, Fränkisch noch Buerisch
Sckriftapradw leitt, aber gewin H, dan ^ nietotkttnfliee B«dakUon uueier Sfiradie vnaemi
DialdtiMi almticlier aehen irird, ah der jetilgen Sduüt* ^)
14. Die ^äpracbe ist mit dem Leben des Volkes so eng vcrüochten, datis ca unbodiogt geistig
abfltiirbe, wenn es dieses Elameito verlosüg ginge: waa dem Vogd «Ue Luft, das Vaaser dem
') Kapp ». a. 0., 17, § 171.
Br td nir goMMt, fb iu ToMIWb» Ur ToM k i i iiii u ii ait nr SdwifUprtd» tla» tSUgmitn gmAMb» AntoriHt
anznf3hren: Ein Dialekt bt so alt and ebenbürtig aU der andere, ebmalg aber sprach der gemein? ^rnnn wie der
edle, hcoto ist die aus Vorschmelrunjf der Völkerschaften errungene Sprache Eigenthum de« gcbildetiii Thcil*. also
jiidom orw'Tljbnr , <i> r un«;i tiililotc Tht-il bleibt bei der angegtammton Mundart and pflanzt sie fort, sie hat I.rb.nis-
vänoe, IlUdangawärm« geht ibr ab. Der gmoia« Volkadialekt »teht auf seinem Bodo« lielier und fetdÜMten, ist
böniaeh, wkavlidt, ttat» natarKdi. n «iaselnem Woblkit «ad triftigem Ansdnwk reich; di« SEeichen g»bilM«r
SehriftHprachc sind : Adel, Zartheit. Einstimmung. Termiedener Uebellant de» Ganzen ; er»t kraft ^cr PchriftKprache
fGlilen wir D.iatRche lebendig das Hand unserer Herkunft nnd Gomoinachaft and tolclien Vortheil kann V- in Stamm
(lanben zu theuer erkauft za haben oder um irgend einen I'ri i» Ix'rgeben zo w<ilb n Grimm, deut Gram.. Vurr. Xlll.
Jtä» g«moiiM Volkunuadait steht über der gebildeten Scbriftaprarhe dordi ihre Lobeiidigk«it aad Ungezwungen-
bdt, iailiit bn FehtariiafteB bMM ito mtOrlich ; tief niiter der SchriflaimMhe durch ihre Rohbeit d. b. d«a Hanget
an Bewosrtgcin and Haltung. Im Einzelnen kann die Volkssprache weniger verloren haben aU die gebildete Sehrifr
«prache ; dafUr hat sie nie gleich dieser etwas im Ganzen gewonnen. Der Gang der Schriftsprache lässt sich pertodiaek
verfolgen; in der Mundart dos Volks vtniaki elnwliiee bdmhe Ravamwikt, md «ie » hetitaaii MMM, Ub
nngleich oder nnvoUstündig. Ebcnd. I, 518.
Untere luntigen TolkeninndarteD enthalten gewissennaasen mehr als die Schriftsprachen, d. h. in ihnen stecken
anch noch g«Biig Uebencite alter IHaMcte, di« lieb nicht mr Scfariftepracbe anfachwangeii. Qcecb. der dentech. Spr..
11. ö«!.
Tul^'i nde Stelle aus Frommanu's, ,dio deutschen Moii Lirten" m':>i^f- liior Krifän/nmr obiger Citato aiia Grimm
Pkti finden: Unsere Schriftsprache ist bd aller Uähe, sa welcher sie darch die Bemllhnngan ihrer Denker gelangte,
vtucbei yorUieila der alten Sprache Terlnatig gegangen. Dia Blnt rinnt in ihr echon sebwererj im Woblhiit iit
nicht mehr so nngtsucht da, Hondem wir4l durch ectgsame Vermeidang der Hürten erzielt : die Flexionen ereehdnea
abgeschliffen und niibsson durch allerliand Künste ersetzt wenlt^n ; die Bowcgur.g ist. steifer und j»enan gemessen. iMe
/ahl der Wurzeln hat sii-I: v. rniindcrt, weshalb häufigere Umgoi(t.iltu':„'' n iiinl Zu-^^iniiii' ii^.-t/uiii; ii uiiv rjm'idlich
werden i der gci.itige Fortüi-liritt der Sprache scheint eine Abnahme ihres sinnlichen KlenK^nts nach sieh gezogen, ja
erfordet m haben. Halt nun anch J. Grimm diene .Dämpfung sinnlicher 6cetandth<>ile der Sprache' für nothwendig,
mit eben nnr .durch Niederschlagung der Dialekte die Uemohaft ^rümawr Mterhindischer Spnicheinboit* gegrilDdet
werden konnte, ho Uihrt aber auch die Katar, da^is frisches Biet !n die Aitn eines Geecbleohtea muit wwui ea siebl
in seiü'.-r AV'i,'>'bi-hl'>.'-^'. uli-'it. vorkommen soll. .Trri<'m Si'b\v.'r>'r-]'.itHH>n det Biltea kaoB aber nV dnreb eiiien ZofllH
»M dem „Quickborn* der Volksmoaduteu abgeholfen werden. 1, 169.
III.
- 15 -
Fisch, ist dem Volke seine Sprache, das Medium, worin es lebt, denkt und fühlt, ilmi so noth-
wendig wie das Brod, um das es täglich bittet. „Vollstes Eigen thum des N'olkes ist sciue Sprache,
sie ist sein Gcscbüpf und fieioe eigenste iimt — äie ifit Gefass eeiiieä Wiääeus uud Erkeanens." ')
Die Sprache omfosst den gasaeu Mendien, sie macht ihn erst zum Menschen; wir mOssen sie ntt^
ihm, mit im Vo& IdAntifiziren; aie ist «eine Sede, die Bedingung seiner Existenz, tau innentSi
Lebensnerv. „Volksgeist und Sprache stehen zu einander in der innigsten Beziehung, so dass man
sich beide nicht identisch fjenup denken kann. Die Sprache ist glciclisam die äussserliche Erscheinung
des Geistes der Volker-, ihre Sprache ist ihr Geist, und ihr Geist ihre Sprache. Der Volksgeist ist
mm die epindueagende Kiaft, aber das Volk und der ToÜisgrät ist nidit ab «t»M vor der
S^raeheRenguDg bereits fertig Vorhuideiies m denken, sondern beide entwickdn und ersengen
vielmehr sich selbst erst in und vermittelst der Spradie; Volk, VoIk8gcit<t uud Sprache bilden sich
gleichmässig inifeinander. Bei der inni<:reii Verbindung 5i:wischpn Volksgeist und Sprache, die sich
vollkommen einander entsprechen, kann nichts in der Spraclie sein, was nicht in dem Volksgeist
semeu Gruud hätte, und dürfen wir daher von dieäem auf jene uud umgekehrt schUesscn. Daher
irt unter allen ÄusB«r«ngenr an veldien Gekt und Oniikter euMs VoUm erkennbar sind, die
Sprache am geeignetsten beide bis in ihn gebeinsten Ginge und Batten darailegen.* *j So lange der
Eroberer nicht an dos Volkes Sprache tastet, ^irä. dessen Volksthum, das in der Sprache wurzelt,
keinen Scliaden nehmen; nur mit der Sprache schwindet das Nationalbewusstscin. ,Die Mutter-
sprachen, sagt J. Paul, smd die Völkerherzen, welche Liebe, I«ben, Nahrung uud Wärme aufbe-
inliren nad untreiben. TSma Bm einen Voi» amschaeiden, heiast dss Lebendige ins Todt^
Gedrückte übersetzen und unter die Fresse geben.*
Die Spmebe nndit dn Volk nt dem, ms es ist, und erst durdi sie venteben wir dss
lebendige Leben seiner Vergangenheit; die dürren Daten und Fakten bekommen Fleisch und Bluft
und Seele. Das Steigen, Blühen und Rinken der Sprache geht parallel mit dem Wachsen, der Grösse
und dem Verfall eimr Nation; so geaUitten uns die vielgestaltigen griechischen Dialekte, die
lateinische Centralspraclie tiefe Kicke in die Geschichte der beiden größten Volker des Alteiihums.
15. Des KatkmalbewusBtseln eines Volkes ist wesentlieh ans drei Elementen zusNunwageeetit:
der genieiusamen Sprache, der gemeinsBinen Denkart und der gemeinsamen G^chichte. Die gfr>
meinsanie Sprache ist die rirundlage des Nationalcharakters und die nothwendigste Bedingung der
Übrigen Moniente in demselben; sie ist die Trägerin des geselligen Verkehrs vaii Individuum zn
Individuum, abtT auch der Tradition, da sie, wie das ganze Leben des Menschen, so auch das
gmue Ldben einer Nation nmfassL Der Cbarakter eines Volkes spiegelt sidi an trenestm in seiner
Sprache ab, dedislb veemsg man verarittelst derselben in seine Urveigsngenhdt su dringen, tBa
die sie ein lebendiges Zeugni« abgibt »Unsoe ^»ache, sagt Grinun, ist audi unsere Gesßlddite.*
Das fJe.saLrte gilt für die Ge.saramtsprache einer Nation, aber zunächst f\lr die eiu'entliche
Muttersprache, Dialekt und Mundart IDenn »in seinen Mundarten Idit, vrebt nnd spricht das Volk;
') Fromm«nn a. a. 0-, I, 5.
*) Wedewer, da« Onutentlnn «nd d)« SpraclM^ BoMpderar Abdcwk, Vimkr. IL, IWT, S, S.
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sie sind eigcndtclisf die Volksspiiulif, donn der ,uf;in!.'>t(» Tlu il dci Nation hciliint <W]i im I ni-anir
der reinen Sciiriftspraclic." ') Die Arnmtit und der lieiditlmui des Wort- und l ürins«ha(iies eint!»
Dialektes gibt den Maasütab ab für die grossere oder geringere Intelligenz, für die geistige Anlage
eines Volkes; denn der Dialekt bt in Bejeng onf das Volk, «bs das angeberene Talent ittr den
Einzelnen ist So wie jeder Maiach eine gewine Fälligkeit mit nif Wdt iiringt, so ist auch der
Dialekt die natfirliche Anlage eines VoUces. %
Die SinTiche ist also der einheitliche Aiisdrurk der ('resammt-Anlafipn dr>s Menschen. Da
dieselben jedoch dem Eiufluss der physischen und intcUeiitueilen Umgebung unlti liegen, so ist es
notkirendig, dsss auch die Spiracke den Rückschlag dteser Einifirkung empfinde. „Leiblichen oder
physiKfa^ Eindruck auf die Sprache nenne ieli den duidi Verfindemng des Bodens nnd der
llinunclsgeiieud entspringenden. Die Sprache in ihren firundbestandtheih'n wird von dem einwan-
dernden Volke iiiitL;('l lacht, allein sie Icsuni durch lan-ien Anf^-nthalt im Gebii-'e, in Wäldern, auf
Ebenen und am .Meer anders gestimmt und in abweichende Mundarten gebracht werden. £r(abruiig
lebit, dass B^ult die Laute scharf ond Taub, das fladie Land sie «ekh und blod naebe. Auf
der Alpe berradien Diphthonge und Aspiraten vor, auf dein Blachfeld enge nnd dünne Vokale,
unter Konsonannten media? und tenues."*) Wie d«s Frankenvolk seine Niederun-ien am L'nterrliein
verlieÄJ nnd irrn n das Innere Deut.scld?nils vordrang, wo Ih'henzüge xuvl WiiMi r es uufn.ilimen,
gab es ain li n.u li iiinl ikh Ii seine niederdeutschen weifhemi Laute auf und eignete ^i< h, oliiic (Ii*ch
gänzlicii der (iruiidbestandtheile seiner Sprache verlustig zu gehen, die scharfen, raulieren T<»ne
des Gebirges an. In diesiT Zeit sind anch die Anfinge nns^es Diakdctes zu suehcn und entstand die
Harmonie zwiaehHi Land und Volk, die sich im Dialdite niedenchlag, so zwar, dan nach den
physischen Reschaffenbeiten des Bodens sich auf kleiner Landes^treeke -vier Mundarten entwickelt
Imben: die Elz-, Sauer-, Mnsp!- und Oslinger-Mundart. Die Elzmundart näliort »ii<h dem Neuhoch-
deutschen am meisten, während die übrigen sich von dem Einüusse der Si]aiibi<rache am unge-
trübtesten erhalten haben. Diese vier Mundarten stehen sieb aber n^ scbrot) gegenüber, wie dia
an manchen Stellen Deutschlands der Fall ist, wo man sieh manchmal auf einige Stunden kaum
mehr versteht;^) vielmehr fallen sie in ihrem Uauptcharakter eng zusammen, so dass der Luxem-
burger sich oiine .'^chwieIil.'^^^■it von einem Etide des I-jintles zum anderen "emu verj-tefit. Ihnen
g»fii('in sind dann wieder mit deii übrigen fränkischen Zungen die im Anhang 1 angegebenen
Orundziige.
17. Im änssersten Westen Dentschlaiids haben .wir tm den Mutterlant gehegt, unser
Volbthum nnd unBere Sitten in Vm» und Leben bewahrt, dicht an der (Frenze gaUisxlier Abk< inm-
linge, der Wallonen, in dem höchst wechselvollen Gange unserer Geschichte, trotz der Vdl li.iluiiLZcn
unserer Fürsten mit wallonischen und französischen Uenscberfamilien, trotz der Verwaituugssprachci
') Pltiaunanii a. ft. 0. , I , e.
*J (triilllii, (irsi-h. .1, ilt-ut. Spr, , II.. ■"•71.
") lioa Legen de» Wosan^^r Dialekts mtcht schon «ifUt Mi.'iniiigcr i-i viol Möhe; der l»orf- Hcnneb<srger ht in
Sahsngirii mA der Bubi, di>r Themariscb« im nahen RiM1nirglui«wn firem-U Frr»mnnnn i. a. 0., f . ISl.
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— nur die LonJonor Konferenz (1839) hat der dcutsclu ii Zmi^-'c dk: Sclimucli angellian, an unaerer
Westgrciizo eine Strecke von 2-3 Ptiindi'n breilfii (Icut.-vclieu Bodens vcrlierni zu müswn.
T)ie Luxemburger Üitiku mit den übrigen deutschen Stämnjen eine acht deutsche treffliclie
Natur, die Vorziigc des Körpers and den tüchtigen afttlichcn Gebalt des Charakters. Sic sind ein
kdtt^, gewedcter, Medtnr McoadienKlilag, in Ifonnonie mit dem Boden, auf dem de Idm,
mit der Lnft, die ne einaUinien.
Unser vim den Aidennen und einem Tbeil des Plntean^ von Lothringen durchzc^es Lud
bildet, mit Ausnahme manch srhrmcn lauggcstrockten Thaics', im Allüeiiioinen eine wi?llpnffinni5re
Ilociicbene, deren Uoden iina zwar nicht den Luxus der l'Hanzenwelt darbietet, aber doch bei
fleis&iger Bearbeitung Überiiuss an Lebciiiunitteln gewälut, so dass, da fast jeder sein eigen Stück
Laad iMtitifc, man fibenll einen mässigcn WohlBCnnd, nirgends aber gvome Ileiclitirilmer antriflt Hie
Folge davon ist EiniacUMiit in Sitte und Xkidnug» ein unabUni^iger, naeb GJdddieit atniMDder
Sinn und beharrliche Ausdauer; hier benseben nodi ivahrhafl patriarclmliscbe Verhftitnisse mit
ihrem Hofolpe, eine Hebenswürditrc Natürlichkeit und fWcnlierziu'keit , eine kaum tü erschöpfende
GulJuütlugkeit und iier/.iichkeiL Der Luxemburger heiler uud strebsam, in hohem Grude mild-
thäiig und gastfreundlich; seine unverbrüchliche Treue gegen den Glauben seiner Väter und sein
Fllntenbuiii ist qHrichtffOrtlidi geworden.*) Sein Uederar gerader Sinn Btitnbt eidi gegn afln
Falsche, unter welcbor Foim es auch erscheine. Der Luxemburger ist unfühig Venrath in Vtai,
und Iiiilt es s*j .sehr unter seiner 'NVürde r.u selinieichehi, eine falsche Höflichkeit zu affektiren, dass
er vielmelir vor/.ieht iiiump und derb aufzutreten. Das sind die Grundzüge seines Charakters, und
SO bekundet er ein acht deutsches GemUth und deutsche uatorwüchsige GesinnungstuchtigkciL ,Die
Franken beaitaan, alter Zeiten eingedenk und lidi mmäm VonBge liewnuft, einen ausgebUdden
Stammeartolz, und sehen gern auf die NachbatsULmme, vor allem die Schwaben und Buem, etwas
von oben Iierunter. Leichten Bluts, heileren Sinnes und regen Geistes, rührig, geschmeidig und
lehensklug, allen Eindrücken offen und zugänglich ist der Frankenstamm."*) Wer erkennt nicht den
Luxemburger in diesen allgememen Charakterzügea, die er mit seinen übrigen Stanuae^grooesen
gemsitt hat?
Dies Geprige trägt auch des Luxemburgers Sprache, sie ist er selber, sdn Land, seine
Berge, seine Wälder. Sie ist rekh an Wortstämmen, wie der Boden, der ihm Nahrungsüberflnaa
bietet, kräftig und derb wie seme Wälder, insch und natürlich wie Leben nnd Natur, die ihn uift-
geben, offen, bieder, unjrekünstelt wie sein Herz, einfach und gemüthlich wie seine Sitte. So koncen-
trirt mcii in der Spraelic der Cliarakter des Landes und des YoUces ; sie ist die 'frägerin von ätte
und Braucli, die Grundlage alles Volksthums.
leb dtiw hier die befauurton «Ken
VnUe, jAuelmrgi, fido« ro» prixca jx-r orltm
TVnm «oenl , (ulf>s ptysterilasque tefftt.
2fcsciii i-fiti sociü regiqut /^rtf/nc
iS*rtirt.>ftM Semper fixtkra , jura , fidrm.
Oaü T^iita liat viel Wald and kkino Bicblcia, genuden Luft md gmt g«tfew Volk. BelwiUaii HflMtff, Co»-.
DOgrapltiü, Uiiwl.T Ausgabe, Ißll, S. ."J".).
*> DeaUcher Sprachwart, U, löt)?, S. 03. S
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- 18 -
Ifi- Im Dialekt konsen'irt sich des Volkes Denkart, donii der Dialekt ist die Üenkform, die
Font) der Gedanken, deren inoraliscber Malt in den Sitten, Sprichwörtern und Redensarten vorliegt.
Durah Wahnug d« VoHBtbnm» der Spradie und Sttti^ irekfae der edetate Kern des VoUolkibent
tind, wird des Volkes SellMtSiidi^Eeit eesiehiirt; durdi Wabning inseree VoflaUnuiis crflUlen wir die
IwHige Pflicht, den nachfolgcndAD Geschleclitem den edebtoa TliaD UHsr seihst ungeschmälert und
ungetrübt zu übeiaiitwurf/^n — unsere Sprache und mit ihr unsere gan?« Erkenntnis; in Sitte und
I>pnkart. ') „Die Multcrsprachr, anüi Fr. K. Keil, ist die gcheimnissvolle Gottesquelie, am welcher
di« geüiitige Einheit eines Volkist tlicüäl und die Liebe zu Volk und Vaterland stets von neuem ge-
boren wird."
Wo die If attenpradie diese berediUgte Stdiueg nicht efamimmt, wo sie doieh feindliche Ele-
mente gebSBiiit wird, Vlabt u<ft iGe Bfickwirimig wädA iv: Hemimiiiir der gdsHBen Entwiddimg
des Volkes. Ohne auf andere Einflüsse, welche auf den VolksRoist zerstörend wirken, näher eingehen
m woljcn, halten wir in BctrofT unseres Vaterlandes speziell den Einfluss der franzämacbea Sprache
flir eine dei- Hauptursachon des schwindenden Volksthuins.
Es ist für den unbufangeaen Beobachter hikbat auffallend, wie sehr unsere guten alten Briiucho
in Ldien und Hans sät dem totsten Einlwuehe der FranioiiBn in nnaer Land abgenominen luAeD.
Zwar bewahrt unsere Sprache noch den Ausdruck manch sdienen Braachs unserer Viter, aber das
Bewusstst^^in desselben ist geschwunden und lebt nur mdir in der ErinnentDg unserer liinsierlipmUn
(rrpisp Kriiftit^p Aus<lrucke, bezoicliiicnile Vergleiche, sprichwörtliche T^cdensarton, die oft voll treff-
lichen Witzes und Huriiorö sind, tä^dicli nehmen sio melir ab. Wenn der nelehrte dieses Verschwinden
als einen Verlust für die wissenschaftliche Fun>chung bezeichnet, so haben wir hier unM;r Bedauern
darüber in Betreff nnseree Mationaldiaiakten anaeaqpcecben, dem adne eigenste Sdiöpfang» seb
Gehalt verton» gebt, ohne dssa homogene Elemente ab Enstts ebigetrrten sind. Des Uudiehe und
öffentliclie Leben flacht ab, und für das, was es verloren, erhält das Volk nur einen falschen Sclicin,
der PS geistig und sittlich unter unsere kernigen Voreltern und ihren festen, unverfiilscliten (Jliarukter
herabwürdigt. Die trauliche Ucmüthlichkeit, die treuherzige Unschuld, die frische NatürUchkcit, die
ingdctnstdte Oflenbeit drohen, wie ans dem Velhe, so ans sdner Sprache zu vendiwtoden. »Eines
•) Wie tief trotz der franatüslsrhen Hernj.'haff; das OiHlM für dio Mutti r^iiracln- im Qenlttbe Am
Volkes wundte, dürücktu ror utw» 20 Jahxen ein Klsas«ur iJaniul Hirtz in Strassburg aus :
KV gliOere hyt «e Fiaukraicli wohl Uh dytsoher Sinn «n B{ed«rk«lt,
Uli thijile Noth und Glüccl; ; Di finJr - n — Anklniit: Iii ■,
Doch klingt uns d'Muedersprooch oit bolil, Denn gwtet Grund iscli noch gcl«it,
8k gilt nodi gtuu StSack I YwwltM kalfe gaas ddi nie.
ITr drucke gurn un hcrzli d^nd —
Un nit eUein xaem Schjn —
Dwcfa SpTOoeh OB ^tte nood verwandt,
1>9 BtOd« aeimVaii Shyii J
Um mu'ra H«n» 8l«it'« 6«l)utt
Koch dytscb sum Himmel niiff,
ITr halte dran als wie e SUtt
Un htm H^Mr dmlL
Bo tan^ iiocli unser Miionstcr Ft. ht,
— Und diia iiwh ketnog'aund —
A« dHnedc»|nnN^ nit inrteigeht.
Ilm« tia gStuff dmA m Gntwil
Üigitizea by ^üOgle
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Volkes Ehre lüingt grOsstentli^ M seiner Muttersprache," sn^i^t Oalir. Wagner. «Dieae ist der LaoJe»-
chre Fulirwi rk. Über sie mni^ man sclmrfer balUm, über ihre Reinigkeit muss man melir eifeni, aJfl
Uber der zartetitea Liebstca Ehre."
19. Das Aufgeben oder das Vcrnachläsidgcn der lAiiiaqirachc bildet eine unvei'koDubare Gefahr
filr den Beatand aller ttbrigen dnnktottetiMtoi EigailbiliiilidikBiten doee VolkeB, m oamaiOidi da
GefHU« p«ditt8cher SdtalSodigkat, der Lielie und Hingebung zum engeren Vaterlaud and zom Tltton.
Patriotismus und Autoritätsi^cfiihl wird, we vordem, im Volke lebendig werden, wcnu ihm ein klarer
Blick in soiue W-rgoogenheit gestattet wird und (\s sicdi als ein Ganzes betrachten lernt durch seine
^fprache, seine Denkart und seine Gi^chichte. Wie ^ehr thut notb, iu die Volksschule ein vater-
'ündifchw QcBciiklitsbncli dnntUhran, irorin der empfänglichni Jugend in popuUiw Datstelluug
natiouüer GcKbkhtdiflder die HnnptlQge der Vcreugenlieit nnwreB Laades, die behien Gestaltea
unserer Ahnen, die rührenden Züge treuer Anhänglichkeit au Kirche, Fürst und Vaterland vorgo-
fiihrt w&rden. Das Buch wird man liebgewinneo, und es wird bald in keiner Familie mehr fahlen.
Das geschichtliche Bowasstscin ist leider unserem Volke allzusehr nldianden Rekoinnu'n und
mit ihm die tiefe ehrfürchtige Anhünglichkeit an eine glorreiche Veiigangenlieit und au ullc aus
dieaer Vergangenheit ererbten Güter, vorzugsweise Sitte und Sprache. Folgeade Worte L. Juiiu s
aeien uns mehr ab eine FeaMdlnng gwehichtlicher und whaenaehaftlieher ErCahrung, sie seien uns
eine ernste Mahnung: JSiü Volk lebt, webt, steht vnd vei^cht mit seiner Sprache. Die Sprache M
die Soeleiiwanderung des Volksthums. Mit dem Untergang der Ppiailien sind die Volker verschollen.
— In seiner Muttersprache ehrt sich jedes Volk; in der Spnu^lie Sdiatz ist die Urkunde seiner
BiiduugBgeHciüchte niedergelegt; hier waltet, wie im Einzelnen, das Sinuliche, Geistige, Sittliche.
Sn Velk, das aeine eigene Sprache veriemt, gibt aein St&nmndit in der Menaehhdl «nf und M
aur atnnnBen Bolle anf der Voikerbülme verwkaen. Hag e» dann aller Welt ^mehen begnifcD
und Ubergelehrt bei Babels TbunniMu nun Doinwtedwr taugen: es Ist kein Volk mdnr, nur dn
Mengael ven Staanuenachen.*
20. Allerdings verschwinden auch anderwärts alte Bräuche und Sitten, erÜBcbt so manche
Sage, Legende, ao mandm H&ebea, verldiogen die alten VoDidieder und «eiden viele Ausdrücke
der Hundart, Spridiwnter und sprichwOrtUcbe Bedensartan niebt mehr ▼eratandea; aber daflir
nistet afeh nicht fremder I^ut, fremde Sitte, 'finundea Ued ein. Bevor der treue Spiegid eines offenen,
peratlen und gesunden Volkscharaktcrs piinzlich crblx^, sollte innn dti li ictteii, w?,s noch zu
retten ist. „Genauen Aufschhj^ über unsere Verwandtschaft mit anderen Suikeni, iiiier Sitten- und
Kultuigescliiilite küuuten uns auch unsere Sagen, MiLrchen und Volk.sheder geben. Die Zahl derselben
iat bedeutend, aber sie gemtben iunoer mehr in Vergeanibeit; nenn dieae SchiUae Ar die Ge>
aehiditafofMibnng nicht TerUnea gdien sollen, so ist es die hechate Zelt in Emat an das ftmfnialn
'j r>ie 1.1 (irliücluT dor \ nt.'rliLn<li^cli'-ii »^.'Hi-hirhtn von Maeyss und Dr. .liw. P,i>)m'i T^rdienen rühmende Erwäh-
nung, waren jedoch wegen ihrer koinpcndiSacn Anhigo siebt bernfeu, Volkübüchur in dem «iiged«otetoii SioM lu
wvnko.
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— 20 —
der»ell)cn zu denken. Wol verdknon sie es, dass man zu ihrer EriHJtUBg wenigstens diescllxn
Mittel anwmilf!, tlie man mr AiifbewafiruiiL' von Steinen und Münzen gebraucht; denn das i^ind
Alterthüincr, dereu Werth untrleirli ^t '^^'i". deren Verlust unersetzlich ist" ') Ünscrc arcliildlo^risclK«
Gesellschaft hat redliche Mühe und auiidaueraden Fleiss verwendet, um Baumaterial zu unserer
LandesgeBcbichte herbeisiiacinffeii. Wir kOnnen hier nur auf dk relchbaltigeo und KrteeuKbaftUcb
mrthTollai Annalen diner OenÜBchaft hinweintt, nuneiitliGh anf die gediegenea Axbeiln dn
Ilcn-pn Namiir, Elberlinf!;, Enffling und Würth-Paquet. Des Lotztoron un?fhätzbare Regesien mochten
vir df-njeniKcn Jinhiiiers an die Seite stellen. "Es sei an die^r Stelle die llotfcun-? aasgcdriickt, es
werde der Forschertleiäs unserer Geschkhta- und Altertliumsfreunde nun auch die speziü&ch germa-
nif fnh^ AntlQuititeii ün AntdiliM m dis BtttnbaDgeii der d w utüftliwi Chidirteft litor iu Auge
FreOich liegen der utioiialeii Fonehnng keine Steine, Httnnn und Waffen vor, keiner Tempel
Reste haben unsere Väter hinterlassen; aber der lebendig spmdehide Qodl ihrer Sprache, ihrer
Sitten, Bräuche, Saireii ist ein besseres Denkmal in unserer Mitte, imd stromaufwirt^ pelansra wir zü
dem Glauben und den Urverhültuiasen des Landes, zu einer Geschichte desselben und zu fest begrün-
detem Kational-Bcwusstscin. Das sicherste, wenn auch nicht das einzige Kennzeichen der Nationalität
irt die Spmdie. ,b gibt ein lebendigeres Zengnin Uber die Ytiker ab Enoehen, Waffm nnd Gritber,
und das »nd ihre Sprachen. — Sprache nt der voHe Atheni menschlicher Seele, wo ne erschallt
oder in Denkmälern L'cbor^cn ist, schwindet alle Unsicherheit iU>cr die Verhältnisse des Volkes, das
sie redete, /,u »einen Nachbarn, tiir die älteste Gcschidite kann da, wo un.s alle anderen Quellen
versiegen oder erhaltene Überbleibsel in unauflösbarer Unsicherheit lassen, nichts melir austragen
als BO^gBame Mceebung der VerwamlbRliaft «der Abmidiiing jeder Sprache nnd llondart in in
ihre fetnaten Adem oder Fasern. — Die Sprache hingt mit draa Glanben, dem Redit und der
Shte jedes Volkes von Kater eng snasmimai.'")
Je grOner der Flciss der Forscher war, je zahlreicher die vorliegenden bereits in anderen Län-
dern gewonnenen Anknüpfung^- und A'^crdcichungspunkte sich darboten, desto leichter lässt es sich
erklären, diuss man bei uns keUische und römische t^berreste mit anhaltender Vorliebe studirte und
daher lue und da. die Grenzliuie übenschntteu haben mag, welche eine nüchterne, slienge Kritik
zrächen den O^ieton keHiacb-rSmächer und gerauuüBcber AlterUdtaner genpgen wissen will.«) "Was
iBsbeBondere die etyrndo^aclie Auabentmig keUsdier SpraclfflbeneBtie bänA, durfte diese Bemerkung
nicht gans anberechtigt cnchebien.
'J Klein a. a. Q., 8.
*) Gritaai, GmoIi. d. dent. 8pr.. I. 5 n. 6.
') „iriis < i.lchrsainkeit" , eifert Grimm, .dorn \'ut»il,md abspenstig, an Pruli'. nuJ AuiliManjf der Fremde
gewohnt, juit ftu&wärtiger Sprache und Wissenschaft beladen, in der heiml^tbcn aims li^', war bereit die Mythen
tmaerer Vorzeit grieebischen «ad rSmischen, als höheren, stärkeren untersuonln r> unl ,lte Solbst«ndigkcit deutscher
P«eite und 8«gf ta Terkemun, gleich als dOrfe auch in der Gnmnuitik du dsatache M galeitet «eidm au «♦
and hstl, itatt di« Ansprficb« dfü«r drei Ponrnn rSllig (^loiohziurte)len. Jen« «widerbBi« nnd «rfmendo Obwebdtnft
ffthr«n lassend, deron Uranfanjf weit «iirüekg^etit werden raiiMt«, strebte man, L'i^wrutrfn es nur angehen
wollt«, irg«od Aalime j&ugertir EntlehDung aafxuspüren, damit der Udmatb aUo Kraft and Mehnc d«s HcTTorbrin-
gaaa ■bfaclmittep «Bid».* Dentaebe Mjrfh., 3. Avig,, V«nr. XXIII.
uiLjüizoü üy Google
— 31
Den Kelten mag man mit Recht manches zugestehen, da keltische Kultiir allerdings hier
länger Einfluss übte als jenseit des Rheins; aber wenn man keltisrhe Forschung ohne Rüfk?icht
auf die germanischen Denkmäler pflegt, so ist es unvermeidlich, dass den Kelten zugeschrieben
wtif was germaiiiMlies Eigentbnm IbL Ddier OtiniiD: .Zu Gunsteo kdtwdier Sprach- and Sagen*
fonchmg ist äne heHaame BeakUon eugetreten, dia dannif beatdit, dan dieaem zuxOekgadiSagtvi
VoDcB, das vor Zeiten breite Strecken Deutschland- «annahm, sein Recht widerfahre. Keineswegs
arm an Denkmuleu hc?\t7.t es in der lebenden armorischen, \\1ilschcn, schottisrlipu und irischen
Sprache aushelfende Mittel. Noch aber gehen die Pfade uusichcr und scliliipfrig, und was wir den
Kelten zugestehen, soll im Entdeckungseifer nicht wider uuä selbst gekehrt werden; auf den Bo*
rUhrungspunkten hat auch die dentache Eigmheit ihren Anspruch nt wahren.* 0
Welchen Gewinn man für altgenaanisehe Sitte and Religion ans nweren Märchen, VolkaBagen,
Sitten, Bräuchen, Sprichwörtern und Redensarten ziAfln kann, das hier nadmiwetsen, verbietet der
beschränkte Raum und würde filt reud in die allgemeine Besprechung unserer Mundart ein*3;reifen.
Einiges über au.s dem reichen i^ioff muss ich herausgreifen und der Besprechung unterziehen, und
so ahnen lassen, welche Früchte aus dem ganzen noch unbebaaten Felde zu gewinne sind; ich
TenieiBe daeaen Eadcon m den Anhang n.
In miarem Sagen- und Mürchenschate sind alle nb gennanisch-RiTthologischen Gestalten in
BQlle nnd Fülle Tcrtreten. Wr haben eo gut «In die Sttnnne an der Osl' und Neidaee, am Bhein,
Main und der Donau nicht nur unsere Nomen-, Nixen-, Riesen-, Zwerg- und Elbenmärchen, unsere
Winter-, Frühlings-, Snmmer-, Rerljst- und Christnachtsraärchen , Märchen von der guten Frau,
von den duldenden Jungfrauen, von den Schlangenjunpfrauen , Märchen von dämonischer Liebe,
Wunachmärchen, cndUch Thiennärchen; sondern aucii der douläche Aberghiube, welchen jene
Mirchen anm n^fhisdien Qnteigrund haben, ist hei ans aar Stund« nodi in solch acharfer Aua-
prägang vertreten, dasB Ich die Behauptung wagen darf, die deutsche Mjthcaforschung werde, wenn
einmal unsen* Schätze zugänglich scm werden, durch deren Untenuchung und ZusamnuensteUnng
sogar die Ijisung mythologischer Schwierigkeiten finden.
Gleich erf.:iel)ige Anslicute bieten unsere Sprüclie und liedensiirten , welche, obgleich oft nur
in moderner Fassung vorhif^cufl , dennoch zalilreiche mythologische NiederHchläse verbergen.
Sogar der Dialekt, als .Sprachform l>etrachtßt, enthält, neben vielen anderwärts untergegan-
genen Wflttem, Bedeutungen, Formen, Auadtfteken und Redensarten, nodi sahlreiche, leicht nach-
weisbare mythokigisehe Anitfiinge. Wo das VeJk oft selhat vergessen hat, da bewahrt der Dialekt
noch auf and gibt Zpugniss für AhaUnunung, Sitte und Oeachiehte
Endlich verdienen volle Berücksichtigung naUM Ortsnamen, woraus sieh fttr Geschichte,
Mjthus und Sprachforschung nvanclies gewinnen Hesse.
Sn finden sich für die KuUurprs< hichtc unseres Volkes die untrüglichsten Belege in seüier
Mundart. i>es Volkes Sprache ist des Volks Geschichte.
') Grimm , Myth. , Vorr. XXVI
*) FiniMDkli a. a. 0., Vomde, diäckt ach hierüber folgendcrnuaMcn am: ,Fftst in denualben MuMitabe wi«
dm Spachfimeher Uetot da» Studfauu dor Mnndarten »uch dem üescbichtsfofscher die bdobMadsto Awib«ite,
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21. DaiS die Wiederbelebung verloren g^ngener ErinnOTUtg fiir unser Volksthum, unser
Nationalgefiihl von unberechenbarem Nutzen wäre, indem es die Liixenibuj-tier der (ifgonwart mit
ihren Vorf^ilircn wieder iu lebendigen Ziisauniieuliaug bniclile, wer dürfte das iäugnenV Dort ist ja
nur difl iiuigi>ciiaft far die Gegenwart, der Anknüpfungspunkt fUr die Zukunft, für das n^or-
gemisse Foitbeetehen unseres Volkes.
Die Muodart UUt niclit allein feet die Tradition der Vergangenh^, a» lange dasiiurarwilsaidie
Gcdächtniss des Volkes nicht mit seiner Sprache erÜBdit und das Volk als solches m eastiien
aufliört, sundern sie vermittelt auch die nationale Tradition in der lebendigen Gegenwart. Durch
aiti wird das Kind des Luxemburgei's ein Luxemburger, sie gibt die Gewährleistung ab, dasa das
spatere Geschlecht dem der Gegenwart in seinem wesentlichen Charakter gleicht.
33. Eine nach den VoncJtfiften Gfimni\i and nach denen Voigang Tei&arte Sammlnns lumn-
burger Märchen und Sagen nahen elnar populir getoten Geeehiehte des Landes dfiifte hier eine
heilsame Wirkung hervorzubringen nicht verfelilen. Welch reinen Gcnuss bietet nicht der Jugend
die harmlose, sinriige und sittlich-schöne Märchenwelt! Sie ist ein Bildungsniittcl für Harz und Ge-
müth, indem bei geeigneter Auswahl nur Gutes in der kindlicben Seele hervorgerufen wird. ')
23. Ein «adei«r atnfcer Hebd mr Weekung des NationalgefOU» in engerem KraiB ist die
Pflege mundartlicher Dichtung, wodurch Anschluas und wahrhafte Ehuieht in die GemetoBpraeba
enn^gUcht iiird.
Die Entwiddung der deutschen Sprache hat eine augenfiilfige Ähnlichkeit mit dem Bildungs-
gang der pjiechisfhen. In Tliessalien nnd TVioticn herrsclitc, unserem Gotbischen vergleichbar, der
älteste formreichste äolische Dialekt, im gebirgigen Peloiioune^s entfaltete sich der rauhe dorischei in
Jonien der weiche ionische Dialekt, vergleichbar unserem Ober- und Kiederdentachen. Dnreh die
Vencbmclning der drei Ekmento erblOhte^ ohne jene m verdiingra, der nichtige attisdie Dialdit»
der «ie unser N^ihochdeutsch Uber allen admebt, ireder Berg- noch Küstensprache, weder alt noch
neu, sondern die gehingene Einheit riünmtJidier Dialekte. W&hrend die lateiniache Sprache sich wie
indLüi i'w uns iiicht allein in den eigenthümlichen , nigprüngliehen Geist de« Volkei tiefiT einführen, londeni
Mch in Betreff der Abvtamimqg und «ngem Temadteeluift dar «taMlaea Volk w t fimro c Licht verbreiten und in
ntiMih« OniidM da, wo in beitfmal* gmütUUSiA» ÜMitlmagta AUm. 0$ ttebei» Leiter dorch das Gewirre
der grouen FamilienTcrzwt'i^jutijrt'n der ileatecheii Nation ■i<'h cnrciB^n. Den m&nnigfaltifttai FoMlnagMi iMtet
aicb daher ein neaea Feld dar , devsen Bebauung die achätienKwertheiiten Aufschläne zu geben venpridrt.*
^) Das Kfadwi dringt t« den Wuietn Unab WtA lomgH Att UadUche Heri im UefunterBten Grund. Man
wild nin «nd nirgend« einen Stoff auffinden, der in solchem Haan die Kinder entzUekt mid Ufriodigt, w«il kcia
nndmr m wie dieser ihrem inomten Weecn entgegenkommt, kein anderer »o ihre Phanttrie •iweeW. Mfw flnden
in den meisten unterer Mtirclmn einen Z.-irtsinn und eine Sicherlieit der Empfindung , die Mr eine hoho Tiumheit Ji.-»
ttttlichen Instinkte« leugt. Ich erinnere nur an die schöne Art, wie das Märchen der Armen und Vorachtelcn , ütr
XMaea und Einfältigen , der Dinmlinge nnd Damnlinge sieh MudniHt, «der an die wunderbare Anspnichslofigkeit,
adt der die achSosten Z&ge der Entsagung, der Hingebung, der Aufopferung f&r anden in «iaer W«iM «niUt aind,
«U wIn dM gar nichts sonderliche«, als verstände es sich für ein redUclm Hen m ndlml, Ar ilhw iMtn ia
K«tb ud T«4 ttt gthen. Klniber, ▼«rtfny aber dM Hirehm aad din MadUdio Flwntaiie, 184».
Digitlzed by Google
— 23 -
aus einem Tunkt stetig und fest eutwickcitc, Strebend die Sprache der Sprachen, die Weltsprache
zu werden, verdient die griechische eine Diaiektsprache zu hejsseii, so ?rwar dass sich für die poe-
tische Gattung der jedesmalige Dialekt festsetzte, in welchem diese zuerst cse^lürt Latte.
Wie in GriecheolMd, so galten auch in den germamschcn Landeu iu dei* friUierca Zelt die
Tenciüedeuen deutsches Haod&rten neben einander, und lied und Epos enmcliteD in mmdersamer
FOUe. Vor dar Bfldnng der Schiiftqiradie aduieb loid dichtete man m allen dentadm DialekteD,
und die DfadelEtqMeai^ die Ua ins 15. Jhrt. reichte, entwidnelte aieh in den meirten Mundarten.
Wo ein Dialekt sich zur Schriflspradie potenzirt, hat auch die eigentlich nationale Poesie
zumeist ilir Eude erreicht: ein Shakespeare erschien in England später nicht mehr; in Deutschland
und namentlich Frankreich ist es nur mehr eine klassische Poesie, getragen von römischer und be-
sonders griechischer Kultur. Welch reidies Leben weht uns aus den Tielen INaleIcten des mittelalter-
fiehen DentscMands entgegen, vo jeder Stamm ans seinem Tiefinnensten poetisehe Produkte oneagte!
Sie Diditer waren die organische Blüte der nntionklen GiOsse, des VolksglUdws» der nationalen An-
schauungsweise und Denkart. Für die Belianptung, wie wenig die gebildete, ausserhalb des Volkes
stellende Schriftsprache acht nationale Poföie begünstige, bietet uns Kom, auf dessen selbständige
Ausbildung die Griechen bindernd einwirkten, das treffendste Beispiel: die lateinische Poe^e blühte,
ala Bom% V(rik hinfliechtei Ea iat onUagbar, das der Dichter der gebildeten Schriftgrad» mehr
oder «eaiger «onerhalb des VoUns stdit; ent die nmnnlisdie Sehnle griff ivieder anrOelc in dea
VoliieB Serie und brachte die verachteten Mundarten «iader zu hoher Ehre und Geltung. „Wir
müssen es in jeder Hinsicht für ein Ghick achten, dass unsere Sprache noch der Dialekte und der
Volkbpoesie fähig ist; denn weit entfernt, der Nationalität Eintrag zu thun, weist uns das Beispiel
der grieclüschen Bildung den Weg, wie die begabteste Nation der Welt nur im Konflikt der Formen
und der immer neu gekremsten Aoaglddmng ihm geistigen Kekhtham bat entfalten können. Unsere
patriotischen CentraUsten sollten wenigstens emei» (den adilechtesten) Vortheil der Dialcktspoesie auer-
kennen: denn es ist klar, oliiie genaues Bewusstsein über ihre eigene Tndividiialifät kommt nie eine
Provinz zur waiueu Einsiclit in die Gtjmeinsiiraclie ; iiuui lernt also die letzte nur iu der Negation
des anderen Elements.... Es ^ unverkennbar, dass die süddeutsche Diaiektspoesie parallel mit der
BKUe nendentseher Poene erwachte und aich nach vedcaddsdenen Seiten «itwidceUe. fSnige Dialdcte
mligen ihren Spndivonsth nahesn eiWhöpft haben; andere sbd noch zarOdc in dem, vas man er^
warten könnte, und es ist nun zu hoffim, dass dieser lustig grünende Baum üi zuuehmcndeai Wad»-
thum neben seinem stol/en Nachbar uedeihe und Blüten treilje, zum »steigenden Yerflruss unserer
lieben Puristen und gewusser Kuiiütrichier, welche eich klüglich geberdcn, dass man nun wieder
allttki lenoen soll, da das Bischen, was sie etwa wissen« ihnen schon sauer genug geworden." *)
Wddi Iterrliche Blüten dieser lustig grünende Baum schon getrieben, zeigt uns ein höclust
verdienstvolles Weifc, (hmemm» FSSMiummi» «wi Firmemät. *)
M Vgl. Grinun, Gmh. d. dcut. Spr.. H, 575 «. 57») Bapp ». «. 0., I, « «, IV , § 133.
•) Rapj a. a. 0., IV, §§ 18», 171.
*) Oamnimiis TSUbenttmincB, Samndvii; d«r dantidicii Hsnduten in Dictitungen, Sajf«n, Hirelien, VoUnlMem '
u. #. w. IT riuistr. irel.™ Ten Joli. Mattliia« Firmenich. Rerlin lS4n-l''Rn, ?, »de. In don zwoi errton BSndon ciml
au« d«ui eisfentlichcn Deutschland 'oii-i Mundarten »ertreten. — Folgende l'roben der lm«niburger Mun<Urt linden
.i^.o uy Google
— 24 —
24. Die Aufgabe «las Dialektsdichters ist eine dreifache: dem Volk, dem StolV und der Fwm
gegenUlier; dazu kommt, dass die Anforderungen der Dichtkunst im Allgemeinen i>ei der DialekLs-
poeaie keioeswegB vernacliGisdgt «erden dfirfea.
Vor alleni ist vom DiaMctsdiebter zu fordern dn tiefim Eingeben in den Volksgeist; die fibrfgen
Anforderungen ergeben sich leicht von selbst, venn es dem Dichter gelangen, das Wesen seines
Volkes in seiner frischen Individualität zu erfassen und m-h -/n eigen zu niarhpn. Als ein iirhtrs
Landeskind inuss er für soiii Volk oder besser aus ihm hinausdicliten : es ist ein Mund, der für ;illc
and aus allen redet. Tritlt der Dichter diese feinen Adern des Volksthums nicht, greift er nicht tief
in den Ideen' und GefUMskreiB wineB Volkes ein, dum hilft fceb dtd Sfiid mit der Phnne» mit
eriogenen Sdmienea, nüt gemaditera Bntarikdcen, — das Hen des Volkes «endet sich ab von aUem,
«SS seinem geninden Wasen vdderspricht, was Heuchelei mit dem Volkstbum verräth. Mit dem poe*
tisclicn Diletantismus in der Mundart kann das Volle sicli nioht zufrieden geben, da es sich nur in
Zerrbildern wiedererkennt. Aus der Dialektsdichtung lauäs die ganze Seele, der ganze Geist dea
Volkes entgegenduften, und eben dadurch erhält sie emc höhere Weihe und vermag erhebend und
bildend anf das Volk einniwiifcen. Wenn der Sialektsdichter seine Aul^abe so etfiust hat, «ird er
nicht verlangen können, dass das Volk ans seia«r Natur heraustrete; es «ird vielmelir stete Wecbsel-
fritlcong zwischen Volk und ihm bestehen.
Man hat die Ik'obaclitung: pciiKicht, dass epische, lyriwlie und dramatische Volkspocsic nicht
gleichmäßig i:i lüi'u Provinzen Deutschlands vertreten find, iiud dass man im Norden lieVtcr er-
töhlt, im Süden lieber singt, wälirend in Mitteldeuschiand beide Gattungen sich am häutigsten zu
dnmatHCben Produkten vereinigen. ') Diese Bemeikuig nt iOr die luemburgcr Eigenthttmlidifcwt
daUn ni beciditigen, dass alteidhigii dramatische Produkte hier volle Theihudme finden, und daas
das Volk in dem von ihm Erzählten mit Vorliebe zum lebendigen Dialog seine Zuflucht nimmt ; dass
nl ir thneben d;is lyrisclie Element häufig und ?ern getrennt auftiitt, eine Neigung, die wir bis
zu einem gewissen Grad mit den süddeutächeu IStaamien theilen. Auch auf diesen eigentliiimlichea
Zug des Volkscharakters ist genügende ßUcksicht zu nehmen, wenn die Dichtung als der jedesmar
ma%cn Eigenthflndidikeit entsprechend von Seite des Volkes volle Aafiudmie finden stdl.
25. „Der (legenstand der Volksdichtung darf nur im i'ialb des Graichtskreises liegen, der
nicht blos dem Mann des Volkes im Allcrempinen, sondern iusbesondere dem VolksÄLimm gezogen
ist, dessen Diidekt, oder dessen Mundart das Gedicht anjrehört: und darf im Gedichte nichts
anders au.sget>pruciien sein, als wie es im Geiste dieses Volksstammes gedacht werden kann. &
tidi I. S3C— 548: JfMnlar* Mit ihtmmiidUr: 1) De BMh (n11 vm .bluimii Itahr ImrIIinb); t) D» Loog-
loinlTnünnrhon bei (trcverrnnrher.
Mmilart vcn Lujceinburg; 1) Mai Schätien, cch » • krniik ; 2) Ech wäg mer eng ReiMe (Büschen) bklhon ;
S) De Schnei lait ob de Bif rfrer ; 1) We Eo woihlf.:cl i< M rt. jj esst; 5) De KnTccht am Schiäd : <)) T'f lans.elie
Johimaut} 7) De Bmer mat der EoiwoTi S) T nei Kommöt; 9) T WiuMMnaaehti 10) De Cli«(«b»n£ ; 11) Dee wor
«et demm; 18) T rinröcbt^ Uadamm ; IS) Wii «er de FauMcn; M) Et ae keo« Bo» «hM Utati 1$) T vwgeft
Fn; IM) Do Beng; 17) T luotscfatricwec Kwiael.
>) Vgl Fnmiuim a. ». 0., I, 166.
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verleiht uklit ätr Gthrauch Irtiend tiiu f MuiuUirt allein dem Lieth einen vdhffhümlii'hen Cfiaralicr,
souiltm (fcr Ch'tralU' r riurr hf^tiiiiiiitcn VdksthilmiichlieU »»«äs sicJi im Licde darstdlen." ') Für
jede Miiodart ist eine beätimiute Ureuze gezogen, innerhalb welcher sich der zu behandelnde Ge-
genstand beliiidcn mm. Sind nun allerdineü Stoffe ans dem Graammtleben dnes Stammes ab das
Nächstliegende imnerhin am geeignetiAen , des VoBws volle Theilnahme anzuregen, so soll damiC
dennoch nicht behauptet werden, dass nur solche Gegciisünide »ml keine anderen beim Volk An-
klang finden. Eine solche enge creographisclie Be?rrcnzun'j; Je.< StolVes ist kpineswp^«? strcn-,' vonnnthen, .
ond anderes dem engeren Leben des Volkes Fernerliegendcä darf berechtigtenuaassen aulgegriö'en
mtämt nuter wur Bedingung jedoch: dnas ein soldidr Stoff dncdi die Art der Behandlnng vOUig-
in die helmnüklie voUtsthfimUcbe Anachanangswetoe hereingezogen «erde, nnd so nationales Gqnüg^
I^hen nnd Wahrhöt bekomme. *)
Die charakteristische Anschauungsweise verschiedener Stiumne Tenneogcii und verwechedn»
hcisst nicht im Ocistc einer Mundart dichten und ist ein ar-« r \ erstoss an <ies \ oli<ra Sitte und
Denkart, dii-s mit ^ets unverrückteui Auge nur das ilnii EiiL^cntlüituliche erfasst. llaupt.soi;,'e des
Dichters also ist, alle Gegenstände in keuschnütionalei: l'aüäuug dem Vulke so vorzuführen, dass die
dsbebe NatOilMdikeit der VoHwawchanmig volMindig gewalirt bleibt.
2G. Wie hat »eh «mdhch der Volkadiehter in Bentg anf die üfnndail als Fwcm für den
naturgcuiässcn Stoff zu verhalten?
„Die Forderung an den Dialektsdiditcr, ^^gt. Rapp. ist, j^cine Mundart in sicli selbst charak-
teristisch anfmfasscn , wo er sie weder verliociidoutsclit'nd zu vt-rU^ssern, nocli in die abenteuerlichsten
Seltsamkeiten zu verbauern braucht." *) Nur innerhalb des gegebenen Sprachvorraths soll der Yolks-
■dlditer den für jedes Ding, ittr jeden Gedanken treffetblen Anadmck friblen, ohne daran m ündem,
ohne auch -nur an die vom Volke stereotyp iestgebaltene Wortstellnng zu iQlnm Wenn es flir die
smnlichc Auflassung mundartlicher fiedicbte wenig aweckmäasig nnd omtrüglich ^äre, für die Volks-
dichtung der Schriftspraclie AusdrüclvC und Wendungen nnszunufzen; so hUte man sich andrerseits
ebenso sehr, gerade nach den krassen Kraftausdrücken zu greifen, deren jede Mundart die Hülle
und FiUle birgt. Ängstlich zu vermeiden sind alle Schmarotzerpflanzen, die Fremdwörter, die am
metaton beitragen, die Handart zn veränderen und den natnrwücii^sen Volkqgetet zu fÜBchen.
Häufig geht der Dialektsdichtcr Strctoi dahin, die Kraft- und eigentbUmliehen Aoedrttcke des Volhea
recht atipziibcutcn und je melir um so lieber in ihre poetischen Erzeugnisse einzuweben. Das Talent
mag sich derselben mit (iltick bedienen und die richtige charaktÄristischc Aus\^alll tretlen, worin
das Volk sich nicht nur wiedcrkenat, sondern sich zugleich in seinem ideenkreis gehoben fühlt; zu-
meist aber entsteht durch dieses Streben der heOkfleste Uimbiwieh, dass der Dialektsdichter nach
dem originellen, krjUtigen, ja trivialen Ansdniek hascht, ohne ihn veredehi zu können.
') Frominann a. a. 0.. III. ir.ii.
-J Vgl, hierüber dasselbe Werk, ill, 151.
Bapp a. «. 0., IV, f 171.
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Der Volkadiclitei- äoil deu eigeDtliüiuliciieo, innigen Ausdiuck der Denkuug^ri, des üciäicu
VoUnttmiuB erftsBen nnd «urt und bdrotaui aUana, um « wMer In das innant« kraache Weaen'des
Volkn dnndringen. Umn^tgtich knnn des DkldctsdichtefB Anfgnbe darin batdien, mit trinalm, gemel*
neu Ausdiiicken so recht iu die unlautere Tiefe des Volkes hinabzusteigen, um ilim so üi Beinen Unarten,
den Auswüchsen seines Charakters zu schmeicheln, es stehen zu lassen, wohin Vemachläasigunpr des
VolksUiums durch verkehrte Erziehung es gebracht, und seine Gefühle, Gedanken und Ausdrücke
In flmr Gwwrinhrat zu anldioniren; sondern darin, das Volk, das man In seinen zarten, reinen Mo-
mmten belauscht bat, ans anlanteien Tiefen zu akh berau&azieb«i und m Teradelo, ohne jedoch
aus seiner Eigcntliiimlichkeit herauszutreten: der Dichter muss es im Klang der t heueren Töne
*'r:-s(>lit, den siiiuigoa naturwüchsigen Kt-rn festhalten, das Gonioinc entfernen, die krassen Lieder
(iurcli zartere, naive verdrängen; — Sprache ist ja nur das Medimn seine Gedanken auszudrücken,
nicht daä lel/.(u Ziel des Dichters; auf den Volksgeist muss er veredelnd wirken, und dessen üus-
Berttches Auftraten in der Sftadie irird, bei reiper» Geeinnung, des Adels »dieii natnrwilclisiger
Kraft nidkfc entbehren mOspen. >)
Die UisBion des YoUodicbtera ist miflün nicht sa untencMtzen, und ins der DieUer, der in
der Schriftsprache z^ini Volke spricht, auf die gesammte Kation wirkt, in demselben Sinn mtkt
der T>i:ilektsdicht€r auf den besonderen Stamm und bcHihigt zudem das Volk, an den Erzeugnissen
der (Gebildeten Theil zu nehmen. Deslialb sind aucli au ihn dieselben Anforderungen tu st^en, die
dci' L>ichter der Schriftsprache befolgen muss.
27. Der Dialdct hat die irohrhaft nationale Poesie gsBchaften; dies bestiit^ ein Bück in die
Literaturen der Völker. Die konvcntionnelle BUcberqiirsche liat nur im erweiterten Sinn eine Na-
tioualliteratur. yatioualdiehter ist man nicht, wenn man deutsch schreibt und ip-iechisch denkt
Corneille hörte auf nationaler Dichter zu sein, als er sich Liikan zum Muster nahm: er leistete
der eigentlichen Bildung des Volkes keinen Vorschub. Die Dichter der gebildeten Sprache dichten
nur attsuoft aunerhalb des VoOces im EaUnet Ttdlkä ist nidit xn vsilGennen, dam Ihn Werks
des Schönen vid enthsltent «as mit Beeht unsere Bewnndemng srre^; absr dstt engen iuschlnm
auch in der Schriftsprache an das Oesammtvolk, an die girnrnm^ Eigenthiimlichkeit verminst man
nur allathäufig. Beruf des Dichteis aber ist es, die wahre BOdnng su fördern, and eo muss der
') Iu B«i»ug auf d.m dichtemchen Worth vieler dieser iu fr«t»r Xatur wild hcrvorfrewacliaenen BlQt«ti Trorden
Tiellcicht mancbc, die diu Volkalebcn nicht kennen und überhauiit keinen Sinn für VolliMhuiiiUehheit haben, «püttdad
4la Achaelo tacken. Solchen Mi ffenft, daii du Volk nklit fiir di« Kritik, aondem Sit Min «igenM B«dfkrfiiiac
4iebM und licb ^etSg dmn kdnt, o¥ die Ißndar ■•Iner Ftreiide nnd teim« SeliiMnei , «einer Sehnradit und leiner
Wehiiiuth , HniiHT Lamm und seines MutlnvilKn» eine gute Aafnahine iu üdhctiKhen The^'l<rciscii fin-len. 'Wciiii es
diesa ttiuaertn lündei am den Herd v^räamueit hat nnd nie ihm auf ihren leichtbeschwiugtti» rOi>ig«n FliigeltL in
langen WinfarniMBden die lachenden Gärton der Pliantasie eröiTncn oder durch ein schalkhaftes muntere« Li> >Miou
die LäWBNMflB tob der btinie idienefaea, m iit ei ToUkonmun befriedigt und hegt nnd pflegt diese Kinderchen,
«l* Mine TerlUn«! es ^ethnn luben nnd sdne Enkel ei Ann Verden. Viel« diaier lieder vnd Sagen rind mit dem
GeinDlhslehen des Vnll;,'.-; dnn h di>' vi. den heini.itlilklien Eriiin-Tnngen , die sie dem Kinde wie dem Creise erwecken,
ao eng Tcrwachsen und iunigat verbunden, dus sie gleichkam mit zur FaiuUia gehören und im Stande sind, wie dies
aichi feiten der Fall ist, die glQhcndate Sehimdit nach dar Hainat In der Fremd« «üt ftaC inbariadwr Qevalt
lievTiinaniCeii. Finnenich a. a. O., Torr.
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Beutfldie gautaB seiner Eigenthttmlichfceit <Ör die ^dung gewoBiien werden. Man «olle nklit des
Individlielle in der Bildung ausrotten, die Volker in dieser Beziehung, 80 zn sagen, nivclliren nod
gewaltsam in eine üniform stecken: durcli EigenthUmliclikeit und Bildung innerluilb dieser Eigen-
thümlichkeit mögen die Volker immerhin schroff gegeneinander abstechen, — um so lebendiger wird
der gegenseitige Einfluss der Gcsammtbildung aller Volker.
I?.
Mundart und Yolksbüduim,
28. Nadidem vir bb jetzt die Bedentung der Mondart, deren niditjgett EjnfluM «nf de»
ToIlagBiBt, jft die Hnndart ab mit demselben ideAtiidi dargnteOt; Mdiden «fr auf die bedentr
samen und zahlreichen Schätze aufmerksam gemacht, weldie die Mimdart einschli^st, xmä die una
über Vergangeabeit mul Herkunft Aufschluss geben tind im Volke selbst wieder lebendiges Selbst-
bewoastseiD zu erwecken am geeignetsten sind; naciidcm wir uns der zur Hebung und Pflege
miaares VoikattnunB natürlichea Mittel bewusst sind: ist es jetzt angezeigt, den ao luaeEat «iditigeik
EinHoB der Mundart auf die VolksbildiiDg, die Bedentung der Huodait ab eraehlldieB Moment
in IIau8 und Schule zu bosiirechen , und die He^^ultate uacli/uweiscn, welche eine natürliche, ans
dem innersten Weson des Volkes sich ergebende Volksbildung in geistiger^ tUäieher und acIliRt
materieller Bezielmng auf chis N olk ausübt.
Jede -VN-ahre \ olksbildung kann siel» mir in der ^Iiittcrspraclie vollziehen. Da die eigentliche
Muttersprache aber der Dialekt ist, der Inhalt des ganzen Gemüthä- und (reisteslebens eines Volkes,
80 mun Ton diesem ab der reinen unmittelbaren Quelle aosgcgaiigen «erden. Wenn «ir dne
Bildung, die blos iltnerhalb des Dialdites bewegt und ToUiiebt, tmbeämgl vermucfoi, ao darf
man andrerseits nie aus dem Auge verlieren, dass der Dialekt den Ausgangs-, den Anknüpfungs«
punkt, die sicherste ("rrundln;:« jeder tmtrn Volksbildirng abcrchen nniss. „Wir betrachten die herrliche
Anstalt der Natur, welche uns die Rede mit der Muttcrnulch eingibt und sie in dem BeÜang des
dterfidwe Hauses zu Macht kommen lassen will, als die grosse Meisterin eucb fUr den sehubnUs-
sq^en fietriä» der Sciiriftqpraebe. Wdt entfernt, unser sdrabneisteiiiebes Bewnastaein dem bäudiehen
Herde aufdrängen zu wollen, sind wir vielmdnr bestrebt, sueb die Aneignung der Schriftspradie
dem stillen, bewusstlosen Walten der Natur möglichst nnziinShcrn. Wo aber durch die - hr'iirn
Umstand« oder durch die Mängel aller nieni>chlicben Bestrebungen die vollständige Erieicliung
dicäcä Zieles versagt ist, da wollen wir zum miudestai trachten, das lebendige und Leben zeugende
SprachgtfiOif miJgÜdiBt «en^ zu storen.* *)
39. In der Erzidnmg darf kebi Spnii^ gemacht «erden, and so «ie in «kr Natur «icb ein
geregelter, allmUliger, aber steter Gang bekundet, so wird die intellektuelle Erziehung des Kindes
nur in dem Maasse gdingen, ab vir sie der naturgemäseen Entwicklung seiner Geisteskräfte näher
') Radolf V. Bamncr, der Uuterriciit in Dectaehen. Betondcrcr Abdmel un K t. Bauntfa TSdagOfik.
S. Anfl. 18&7. 8. 81 fg.
- 28 -
anschliessen. Die harmouische Entfaltung der Geisteskräfte durch eine; verkehrte Erzwhiuig stören^
jKiBBt nicht die Jugend bilden, sondern verbilden und /ax Grunde ricliten.
Die ei-^ton Taute, die dem Kind von der .Muttor Lippen enf^'ei^entrmen, sind von äusserst
wichtiger Bedeutung und für die spätere Kultur entscheidend. So wie die Eltern die Faktoren des
physischen Lebens beim Kinde sind, so gebt auch durch ihre Anregung das geistige Lebeu
auf das Kiad ttbw. Sogar der Säugling, der «egen Maagd an Übang nach nicht im Stande ist,
die aufgefassten Laute wiederzugeben , versteht schon in gew|^m Sinn die Sprache. Die Anflchanung^
durch gleichtöiu'iidi'ji TClaiiL; wii'ilcrliult erregt, ist gewonnen, das Gediiohtni^ aber noch ^u schwach,
die Wortfonncu ;uifzuiitlini(.'u. i)ic einfaclien Laute iixircii sich zucr.it, un<l diese alinit auch das Kind
zuerst nach. Auf diese anfangs üusser&t mühsainc Weise bildet sich wie der Sprachschatz so die
Spracbform and in harmoniacbein Veiein zugleich der Geist in unanrioachlichem Gepräge, aber in
dem Ibasn schneller, als das Kind gnisBere geistige Anhgeii besitst nnd der qnacUiclie Terkehr
mit demselben lebhafter ist Je mehr aber errun^n wbtl, in desto grim>rer Proportion geschieht
dieser Spraclibildungsprozp!:?. Hier wird drr erste nnrnnst' ssliciie Hnind zur künftigen Au^^hildung
des Menschen gelegt. Diese Operation durcli Veriniiächen mit frenttkn Klängen stören, oder, unch-
dem sie einmal voi^cnomnicu , ohne jedoch ihren Abschluss gefunden zu haben, an einer anderen
Sprache wieder anfnehmen, — das kann gewiss nicht die gQlt^ Kenn fOr die sprachliche Ersiehimg
in der Volksschule ahgdwn.
Die ersten Faktoren zur S^achibüdang nnd also die Eltem und Kni^genoflsco, vor allen die
Matter.
Das Kind tritt mit Gespielen zusammen, Wortschatz und Fertigkeit im Ausdruck entwickelt
sich in gegenseitiger Anregung immer melir. Da das Kind zuuieist nur die Ausdrücke l<eiialt und
zu seinem Eigenthum macht, die es im Umgang zu gebrauchen gedenkt, aa ist es in dieser Zeit
nicht gleichgültig, welciie Wahl bei den Gespielen m treffen sei.
Eme SpradiB ist um so rdeher und gebildeter, je grossere Fortadiritte ehi Volk in seiner Geis-
tesbikluag gemacht hat Dasselbe gilt vom bdiTiduum: je hoher die Stufe der Geisleabihlung ist,
auf der die Eltern stehen, desto gn'isscren Einfluss werden sie auf die sprachliche and zofl^eich
geistige .\usbildung des Kindes üben, wofern sie sich nur genügend um dasselbe kümmern.
Nach und nach erweitern sich die Be;^^riffe durch die immer pr^s^^cr werdenden Beziehungen des
Kindes mit der Ausseirv^lt es entwickelt sich eine weiter gehende tierie von IJe^riffen, Geist und
Sprache erweitern sicli in iiamer grosseren concentriscben Kreisen, wie bei der Entwicklung des
Baumes, stets aus der Tiefe hetaus, aus dem eiateii Kerne. Nur auf der von der Katnr gegdienen
Basis kann du oigamsches Ganzes, eine organische Volksbildung eotstdien. Der Dialekt ist die
Orandlage.
SO. Allerdings findet sich in dcu Kindern bei ihrem Eintritt in die Eleaientarscbulc eine grosse
VeneUedenhdt der geistigen und sittlichim Anhgen zur SchuIUldung vor; aber trotz der noch so
hervortretenden verschiedenen Sciuttthnogen in der bisherigen nur häuslichen Erziehung Avird man
immer und überall dicKclbe gleiche Grundlage fiir Sprache, Gefühl und Denkart aotreifsn, und hieran
sind die ersten Ringe der groeaen Kette der Volksbildung anzuknüpfen.
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Die SehHk darf TOtn H»xm nicbt «boehen, iridinfdir mm awlaehai Bam and Sehlde «bie Imk
ständige Wechselwirkung herrsclien zur Verfolgung des grossen Zieles, zur Anstrehunc; einer wahren
Menschenbiidunsr. Da die Rcliule wieder für das hiiu^iche Leben, für die menschliche (icnossenschaft
bildet, und der Mensch sich ausserhalb der geistigen Gemeinschaft nicht entwickeln kann, so darf die
Erziehung des KindeB mek nicht anmiMlb der TeHrindnng mit ndenn Tdlladien. Sie GenoeMMChaft»
in wdche das Kind nonniehr dntiitt, die Schule, leitet, ohne von dem dterliehen HMue, den
häuslichen Ldien als seiner Wurzel zu trennen, indem sie vielmehr die liilu^liche Erziehung fördert
und erweitert, natur>iem;iss zum kirchlichen und bürgerlifhcn Leben über durch zwei Momente: Er-
zielmng und Uaterriciit. Die Scliulo sei also für das Kind ein erweiterter Familienkreis, in dem es
sich eben so heimisch fühle ul;j inmitten der Eltern und Bausgenossen. Die zarten Keüue, die durch
die hiudiche Ersidwng geweckt «nden, sollen eich in der Volkaehale netnrgenüin entwickdn nnd
zur Bülte entfidtwi. Wo das Veterhans nur mangelhaft seine Pflicht in Bezag anf Ausbildung des
Geistes und des Herzens erfüllt hat, übt diese GemeinsLliaft einen woliltliätigcn Einfluss auf das vcr-
naddil'L'^i^te Geschöpf schon dadoicb ans, dass das Kind mit anderen Kindern verkehit und sich an
denselben bildet.
Betritt das iund des Luxemburgers den ükhulsaal, so besitzt es keine andere Sprache als seine
Mundart. Ei komnt nur MnahnsweliB vor, dass das Sind durch hiMfidno Vericehr deutsch oder
firansfiidseh sprechender Ettern der hochdeoschen Schrifb^racbe oder des Franzosiscben dnigennaassen
mächtig ist. Auf diese seltene Ausnahme darf beim Volk^autcrricht nicht reflektirt «erden, da zudem
diese Kinder zunigist — ab za ihrem Vortheil? — durch Verkehr mit den Hausgenossen und Gespielen
auch die Mundart sprechen und sich um Ende doch am liebsten in die<<er bewcf^eii, und namentlich,
worauf ja alles ankouuut, da eä sich iiier um allgemeine geäunde Bildung uuäcres Volkes haudell.
Bei sehiein Ehitritt in die VolksBcliule i^iidit, denkt und fttUt das luiemborger Kind nur in sebier
deutschen Mundart.
Ich habe mich bestrebt, die tief psafcholoi^sclie Bedeutung der Mondart und ihre Wirkung anf
Volk und Volksp:eist oben naflizuweisen. Wollte man dieser Eigenthümlichkeit m der sprachlichen
Erziehung keine Itechnung tragen, indem nmn dem eben in die Schule aufgenommenen Kinde gleich
ein fremdes Objekt, die hochdeutsche Schriftsprache oder wol gar das Franzusiscbc vorhielte, etwa
andi btides misdite: so «thda nnu die Ecnebung, welche das Khid im niterfichen Hanse genossen,
nicht Terweröien und von neuem, von den ersten Elementen ansgdmnd, mühsam die gaase logische
Kette der Begriffs- und SprachentwicUnng durclüaufen müssen, um nach jahrehmgem Ab- und Um-
wege wieder da anzulangen, wo das Kind auf einem einfacheren, natürlichen Gati^re schon längst
augekommen war; so würde man das Kind von seineu biilicri^en Errungenscliaften, der natürlichen
Wund für eine organische, wahre Volksbildung tr^en, und statt eines mit vull^timdiger Sprache
begabten Wesens, das nach der von der Natnr votfiearichneten Methode weiter crsogen irerden soll»
stände eb ^rachleess Wesen jbnmeilich vor dem bedauemawerthen Lehrer.
31. Das eben ist das CbaralcierLstischc der Volk^bilduni,', das-s sie alle Stünde, Alter und Geschlechter
eines Volkes ergreift. Alle müssen in der ^'oli;»clude dieselbe IJiMung genossen Laben, damit ein
Band sich um alle Glieder des Vollves scidinge und sowol den gebildeten als den gemein«u
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Mann zu wohlverstandenem Interesse zusammenhalf o: damit der einfache Mann von ileni Dcwusstsdn
erfüllt werde, dass nvischen ihm und dem Gebildeten keine unüberstciKüche K\u'f clihne, dass er
vor den höheren Ständen nicht fremd dastehe, diese viehnehr sein Wohl und Wehe vcrstehoi
und tbtSkni und damit aadreradta der Gebildete, der durch EnielniDg uod höhere TriaaenBchaftliche
Btkhug Iftw das ToOt eotröckt wd, dennoch wohtthaeod niifeend immer wieder is die bekinnten
Volkskreise bemiederstdgen könne und seines Volkes Bedürfnisse und unveräusserliche Eigenthüm-
lichkeit kenne und schätze und als seine eigenen ansehe.*) Erziehun? durch französLäch si)ror!i, [id*'
Bonnen, ja Bonneoerziehang überhaupt auch innerhalb der Muttersprache verleiht nie diese demo-
ImtiBdie Weihe; die Kinder «rades dadareh dpoi V<Ae entfremdet und das so entstandene kalte Ver-
UUtaiBS wird skh anneiBt nie venriMheii.
32. Das Volk soll in aeiaer Muttersprache und für dieselbe crzo^jeii werden. Das ist das Medium,
worin ächte Volksbildung: sich vollziehen mu.«?«!, und zncrleich flcr Hauptzweck wahrer Votk.sbildiinp.
Das materielle Moment der Volksbildung, d. h. die Masse der zu erwerbenden Kcnntni>{se irleidot
dann keine Schwierigkeit, da sich alles naturgemäss dem Organismus ansetzt. Das formal entwickelte
S^mdibewaBBlaein ToOzieht sieh immer an (Higeicten, die dadurch dem Undlieheik Geiale aufboren
fremd zu sein. Mntteiqnchc ist Hauptohjdct der Volksbildung, daran reihen sich in untergeordneter
Stufe die übrigen m erwerbenden Kenntnisse, soweit sie in den Kreis des volksthümlichcn Lebens
ciagreifen. AU^ Material^ in dem Medium der Mutterspraclte aufg^9Sd, mrd vMiuhaß Ei^mthvm
des Volkes.
So wie ein Volk, wenn es anders nicht sein eigenthümliches Volksgepräge verlieren, als Volk
aMerlwa eell, seine LandeaBpiaelie nidit aufgeben kann, ebenBo wahr man Mb, dasa es nicht
anders als durch die Landessprache greeagezogen werden kann.
aln der Scliule, amt Baunur, haben wir allerdingB nur die Schrifi^rache m lehren, aber wir
aallen dies in einer Weise thun, welche die Volksma.'<sen mit schonender Iftuid von ihrer angestammten
Mundart ?:«r Schrift?praclio InnUljorlcitet. Gelingt uns dic^;, so dürfen wir hoffen, diis^' auch die
Schriftsprache in dem Umfang, iu dem es sein soll und kann, ein natürliches Eigeittliuni des Volkes
werden wird. Überspringen wir aber die von der Natur gesteckten Grenzen, so rauben wu* dem Volk
seine natttrlidw, «ngaBtammte Sprache, in der es sieb fird nnd sicher heMegt, und zwingen ihm dafür
dne Sprache anf, die ihm fremd und widematOrlicb bleibt.* *) Wenn dem Kinde die Sdiriftsprache
als fremdes Objcit voigefKhit wird, wenn das Kind alsdann nothwendigerweiie von sebiem früheren
'i Wir Tir-niirn •■igeiitliciie Volk-sHluiL' JitjsnijfC , welche alle Kinder de» ^■|l!k^s in St.uil setyr:) ^il], sich die
allgi?meine inTOSchliche nnd christliche Bildung so TaBdiafren. Wir haben tUbfi runäolist (lic trroa*e Meng^o der
JQnder im Aug«, welcheo tut alle ander« BUdnagawvg« tWÜg vendiknMa aiutt, and welchen die Schule bis dabin,
wo tt« ins bOi^nelie 1*\m übergehen, berrfta idles sein und leli4«n raII, mu fhvo gei»tig>^n Aulagen erfordern.
Die Volksschule ^o^ iIciiiii.icTi die allgemeine Bildung fördern. Das h\ idnjr eine »okho Bildung, die durch alle
Stünde der Gesellichaft hindurchgeht, in welcher freie Scclcnthiltiffk:it , mit Ijinterkeit und Wahrheit de« inneren
Lebens, und mit Tüchtigkeit zu jedem zeitlichen Berufe, überhaupt « in gl Kundca, vernQnftig«*, dvtHtlklMS Leben
akh ciitfiiltH. MQnch, üniversalleiikon der Erzif Imiif,"- Untcrrichtslehre , 18-15, Dd. III, MI.
-) I^umer a. a. 0. , 106. — Dass unbedingt alle Unterricht«» Fächer in deutscher Sprach« tu lehren lind, lat
aus dem Gesagten so einleuchtend, <bs^ i' Ii mich 4er Hflho entheben luuui, dio vielMcbt im Stillen genHubte gegen*
tbeUige Bebauptang apeneil aa widerlegen.
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Denken, Sprechen und FiUile» absehen muss, ho wird es die Schule nicht Ucbfj;ewinnen ki'inncn , •w-cil <«?
sich dort nicht lieiniisch iulilt. Werden jedoch seine bisherigen ^'eiätigea Enungena-haftcn mit in die
Scliule iiiueiiigezogeu und beauLit, so bietet die Schule ihm eine willkommene geistige Gymua&tilc; iu
voUBtSndfgeiD ZnMnawnliiiig mit der UulkliMi Enddumg eatbOttt ideh 'Um Jetst cbe oeue Wdt m
Bflgriflso, mit offnen Äage und Tollen Bewontieiii er&art es die Besultate mäm geistigen fori>
schreitenden Strebens und weiss sie auf der Stelle anzuwenden. Diese Resultate didso tiefeingeinigti
das deren Gebrauch im siiäteren Leben nie abhanden kommen wird.
Die Muttcirfpr?.' h'» und deren 'N'erfjleich mit der ^lundart darf zuerst nur alleiniges Objekt im
Programm der Voll<^tiule sein und muäs aucli für die folgenden Jahre Hauptobjekt bleiben, immer
jedoch mit Rücksicht auf die Mondart, die aber mehr und mehr, zuletzt ganz niittcktritt. Für die
ersten Jahre gilt nefben dem deutschen Lesen und Schreiben namentlich der ÄnechanongaantaTicbt,
später die Erklilrung gelesener Stücke, die vorzugsweise sacUicli m betreiben ist. Zum Vcrständniss
des Inhalt©; wird ein den Kindern bekannter, der Mundart entnommenpr Ausdruck ^efffzt Je inehr
der SclHÜev seinen schriftdentschen Spraclischatz erweitert, desto weniger wird von der Mun l irt bei
der Erklärung von Lesestücken Gebrauch gemacht und, statt mundartlicher Ausdrücke, Formen und
Wendangen« rinnrenrandte Wörter and Wendungen der Schrifltq^mdie angemndet. So kann man
xom VentSndnte des Mattes und zur Hebung gaoie LeseiHleke in die Mundart und nmgdidut
SlierBetaen lassen.
') Ganz richtig ist der Gedanke, dau der Uatenichi in der Volkaaehale von der geeprochenen Mundart auszugehen hat.
Bk geiprodlew Hnadwt W dineignntUehe Mnttenpvadn ^ SeMOen, mit ihr M er raJ^emdiNn, nad li« IM da« nr*
apTOiiKliche Organ gcincr Oodanken und EmpflndTjnpeTi. Es wirJ ilesliall) die Anrir:i1)-> i^cr Volksschule 9c\n , tlon f'rMilor. so- .
weit er «ch üborhaapt an der SchriitüpraclK! bt'tläaljgfu mü, vuu acüior Müinlart zur Sfliriftspnicho lüuuberzuloitL'U, Dem
gRiu.on '/» .•(■V ariil Charakt- r ■lar Volksschnlo gemäss wird die« aber m5grn.hst. auf iljm W.-pe praktisi-hcrUebang tu ffesche-
hcn haben. Der Volksmuadart, die der Schaler au den alterUdiai Hanse mitbringt, kommt von der anderea Seite dasLeaen
der schriftdetttadMB Bodm, daa Sagm der •duUldrataekeB IMar nnd daa HBran der aehr oder modgw e^rif^
denteohen Predigt cntgog'>Ti. TTnziihligcmal iriTd den Religicmälclirer ilio blo^«'» r-nn sachlich!^ Erkläruiii; iiritJii^N ii ,
**or Mondartfteiner SchOler liLiiabiastcigen. Dieselben Dingü wcrJün daaa ohne alle Juuifr auf Sj)rachmit€rrii:iit
auch wiedemBiriftdcatsch ausgedriickt und lo entsteht ein Henkber und Hinflbcr zräclicii ^'olkamundart nnd Schrift-
deutach, daJUen SchfUer schon «ime allen besonderen Spracfanuterrieht an einem leidlichen Verstehen des SchrtA-
dentschen fährt Soll ma aber d«r SdilUer, etwa in Bellgl«nsttttenrtelit. selbst sprediea: a» wnd er sieh «nttnglldi
VOUstfodig seiner Mundart bedienen, nach mil iiarh aV' r wirl er 5n di r frit irrrchtsstunde mehr snd mehr Schrift-
dentsebes in »eine Mondart mischen. So Icrot der ScJjükr uacIi uad mch tin Stii.k Sehriftdeutsch in einer Weise,
ilin mit iloni urs((riiiik'lirli''n Er!.;riio!i seiiusr niQndartlichen Muttersprache w- it melir Ähiiliciiki'it hat als mit der
Art, wie wir in den Schalen Lateinisch oder Griechisch lernen. In dersolhen Zeit geht mit dem Erlernen and Üben
des Lesens das Erlernen nad Oben des Scbreibent Hand In Baad. Ber SdAler sclmibt die tduriftdoHladien WSrter
aa*b, die ihm der Lehrer an der Tafel vtirsrliT-filit . er Icopirt. n.ich nnd naeli ganze Torgeschriebene Sätze, und
jewBbnt sich so einigerniaaitsi^ii an tli« 6ciirifttlöutbt.heu Furmcu. S<j11 et uau aber ohne Vorlage etwas eigenes zu
Papi.jr I riti-eii , so wird hitiitzen und selten wissen, wie man die» angreift. Er bedarf demnach hiezu einiger
Anieituiig, nicht .zum Auffinden des Gedankeninhalts', sondern dam, wie man gedachte nnd gesprochene Wort«
in geschriebene Buchstaben fttal wA ^ Gednnken, dlo man m Paphr bringen wiU, ortosL D«b «iahebtlen Über»
gaog hiezn TOm blossen Abschreibon de« Vorgelegten bildet da» Diktircn und das Korrigiren des Diktirten. Es
Witebt sieh von selbst, dass man hicmit nicht zu warten hat bis zur Vollendung Jer oben angegebenen Cbungen.
Vieliri lir kann da.i Diktiron sehr bald mit dem Abschroibon Hand in Hand gehen. S, !.,>n h. i düin \it !■ rü hrcibt-n
des Diktirtun wird sich die Keigong der Kinder aeigen, die EigenthSmlichkeiten ihrer Mundart geltend zu machen.
Noch weit mehr aber nnd in vM fp /tti UMt An a ddmmg wM (Bta der Fall adtt. wenn man da dann and wam
atwaa eigenes, eine kleine nacherzählte Geschichte oder dergleichen zu Papier bringen ISsst. Hier wird, auch abgesehen
Too üngesddek and Nachlässigkeit, in uuzühligen Fällen nicht so geschriebou werden, wie das Buch schreibt,
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33. Durch dieses \'crfaliren wird der bclUosc Missbrauch beseitigt, schon auf den unteren iStufeu
dem Kind« zazumutben, gleichakm auf amtomtache Wwe die Scbrillqmclie za erknwD. Nichts M
nniuiiariiclier, dem Chanüctar des lündee nidriger, für das künftige Leben des ScldUen «migw
einträglich als diese in DeotschlaiMl ffingst ausgegebene Methode, ein theoretisches Verstehen der
Sprache beim Volke erziolon zu wollen. „Den geheimen Scliaden, satrt r.riirim in der ersten Ausgabe
seiner deutschen Gi auimatik, den dieser Unterricht (die eigene Landessprache aus deutschen Sprachlehren
SU lebren und zu lernen), wie olles überflüssige, nach sich zieht, vird emc genauere Prüfung bald
gewalir. Ich behaupte nichts andere, ab dass dadurch gerade die freie Ent<uDg des Spra^veroijlgens
in den Kindern gestört und eine herrliche Anstalt der Natur, welche uns die Rede mit der Mutter*
milch fiiinibt uiul SIL' in dem Bofanu des elterlichen Haascs zu !\Iac!it kommen lassen will,' verkannt
werde. Die Spraclie u'leicli allen» iiatialiclien und sittlichen ist ein unvermerktes, unbewusstes Geheimnis«,
welches sich in der Jugend einpflanzt und unsere Sprechwerkzeuge für die eigeuthUmlidien vaterliin-
distAen TOne, Kegungen, Wendungen, Harten oder Wäefaen heetiannt; auf diesem Eiodnick bendit
lenes nanrertiiglich^ aehnälchtige Gefühl, das Jedm Slenadm 1>e{aUt, dem hi der Fremde sebieSpracbe
und Mundart zu Ohren schallt ; zugleich beruht darauf die Unlernbarkeit einer aasländischen Sprache,
il. Ii. ihrer innigen und völligen Uebuntr. Wer kannte nun glauben, dass ein so tief anireleuter, nach
dem natürlichen Gesetze weiser Sparsamkeit aufstrebender Waciisthum durch die abgezogenen, matten
und missgegrifFenen Regeln der Sprachnieister gelenkt oder gefördert wurde, und wer betrübt sich nicht
über unldndliche ffinder und JfiugHuge, die rem und gebildet reden» aber fan Alter kebi Helmwdi
nach ihi-er Jugend fUhleo?... Sind aber iKese Sprachlehren seilet "Knsehnng und Irrthum ; so ist der
Beweis schon geführt, welche Frucht sie in unseren Schulen bringen und wie sie die von selM
treibenden Knosiicn absto<;scn statt zu er>chlicssnn. Wiclitip und unbestreitbar ist hier aurlj die von
vielcD gemachte Beobachtung, dass ^kliidchen und Frauen, die in der ixiuüe weniger geplagt werden,
ihre Worte ttinücher an rede», aerUcher an setsen und natOrficher au iriUden ventdMn, «dl sie
rieh mehr nach dem kommeoden bneren BedfirfiibB bilden, die Bildsamkeit und Verfehienmg der
Sprache aber mit dem Gcistesfortschritt Uberhaupt äch von selbst einfindet und gewiss nicht aus-
bleibt. Jeder PeuLsclie, der sein I>entFrh w'hleclit und recht weiss, d. h. ungelehrt, darf sich nach
dem tretVenden Ausdruck eines I'ran/o^cn ; eine SClbstcigeuC, lebendige Grammatik ucancu und kühu-
iich alle Spracliiuei.sterreueln falireii lassen.'* ')
So wie daä ivind uhne (irammatik in den Bcsütz der iMundart gelaugte, iso kann es sich auch
die Sdaifisprache ohne grunmatische KOnateld aneignen und swar im engen Aaschhiss an die
Mundart durch GegenäUze vnd Ycrmndtacbaft. Alan w)Ue mcht unsere Bauern und Handaibeiter
wml. rn wi.' .I.T Siliiili r sjuirlit. Tt.Kli winl der Schüler olino allo benondiMi^ Anwci.sang in der Regel nicht seinen
Strnss-iiilial«kt, sondern er wird die Misclmn;; voa Mundart und Schriftdeutsch schreiben, dio er in der Schule la
npi ' heil sich gewöhnt hat. An dii<sc8 Mittoldinp nun hat in der Volksschule der Unterricht in der Rechtschreibung
amokaapftta. Er mU allerdings die Sprache, die der Schaler BchreiU, mtglichtt »nnShem der Sprache, di« er in
adnen BBohcn Uett. Aber nicht diese regelrechte Übereinelimnmng dessen, was der Bauer und nmdarbeiter scbreftt,
mit der Bnchentprach« ist die weHcntliflisti ,\iif.,';.!>e der einfachsten and c!( m Mifir^ton Volksschule, soiil-rn mög-
lidtst« GeiättJtgkeit im Schreiben überhaupt, damit nicht hinter Pflug und Ambos dio edle Kaust dos »ctircibens
ginilieh «ieder mgmm ««rd«. Banner n. a. 0., 108 tg.
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zwingen), „über das Donken zu denken und Auiniit/e zu schreiben, zu denen sie sich erst durch
küDStlicbe Mittel den Gedankuniuhalt hcrbeiscliatien müssen. Wir dagegen sind der Meinung, dass
nn fSk das Wobl dieser Sünde am IwBtoi aorgtt vewi mait sie mit aolch sdukai Abhub von dea
TtJiBlii der fiddieB yenehnit und tieh dafür recht cmstlieh hemflht, sie dsfahi zu brimsen, dass
ne die bochdeutschen Kleber lesen können, die für sie bestimmt and, und die Dinge einigcr-
maasscn zu Papier bringen, dio das Leben von ihnen vcrlan^^. Lesen und SchrnJ^-tt, die alten Ele-
mente der Vüikääciiule, sind es auch heute noch, und Jeder niciit hierauf abzielende Unterricht in der
deutschen Sprache ist der Yolhaschule verderblich." ') Die künstliche Metbode durch Grammatik dem
IQnde die l^mche bdbihigeD ni wolku, ist ganz aubugeben, und das Studium der Gtammatik auf
ihr richtiges Maaas 2a beschränken: die Spracbkeiuttnisse des Kindes zu regeln. Li der Elcnieotar-
schule darf der grammatische Unterrii lit nielits anders be/wccken , als den SthiilfT zur ITaiidliabung
der deutschen Schriftsprache zu befaliigeii: ilir Z^vock ist somit •j,:\n/. praktischer Natur, oder, da
die Theorie, die auch der al]erelenieut<trsten (Tramttiatik zu Grunde liegt, niciit gänzlich beseitigt
««den Innn, so ist de« Kcammatische Untenicht in der VolhsKbule dahm m bestiinnien, «das hier
die Theorie im Dhaute der Fnuds steht, das WaBea hn Dienst des X<Muien&* Ein klein Stftck
flfammatik ist inBofeiu in der Volksschule nothvendig, als der Schüler zur Kcimtniss dessen ge-
langen muss, ,was in der Schriftsprache ricldin und was foisch ist"; dabei sind eioeh nur die zum
richtigen Schreiben unentbehrliciisten Dinge zu berühren. „Dahin gcliören aber vor allem die rich-
tige Wiedeqiabe der Laute (Orthographie) und die Richtigkeit in der 13cugung der Wörter (For-
nenlelire>* Dan hesehiiiikt sieh die Einttbang dieses Stoffes nur anf das, .in» der Schaler nicht
ohnehin schon mit Sicherlieit handhabt, n-eil er es aus sdner Mundart mitbringt." Die eigentliche
SvTitax geliört uicht in die Voiksst^luile, sondern ist den fryninasieu nnd namentlich der rnivrrsität
aufbehalten. In der Volksschule ist die Aufgabe der Syntax, .an den Sat/hildiiTirrnn . deren das Volk
sich ohnehin bedient, nur gerade soviel zu ändern als die Übereinstimmung mit der Schriftsprache
wrlangt DaUn gehjirt also eBStons die Eonstrsktieii der Wörter» wenn die Mundart tqd dsr
Schrifla^fache abweicht, und zweitens die Beseitigung solcher Satsbildungen, wdcbe der Scbriftspradin
fremd sind, und ihre Ersetzung durch die entsprechenden schriftdcutschcn. Damit ist den Bedürfnissen
des Volkes in Bezug auf das Schreiben der hoebdeut.schen Schriflsprache Genllge gotlian. Denn wer
das angegebene Ziel erreicht, der schreibt ein in sjiitalitischer Beziehung tadelloses Scilriftdeut.^( h,
dagegen ist die EinlUnuig kOnstlicher und verschlungener Satzbildungen, «eiche der Spradie des
YoUces fremd abid, für das SchreilMn niebt nur ttbeiflüsBig, sondern gemdesu TCrdArUich.«>) Für
den grammatischen Unterricht in der Volksschule wäre sehr fürderUeh än grammatiadieB Hsndbttdl*
lein, das sicli eng an die VoIks.sprachc anlehnen und das Kind aus seiner Mundart zum richtigen
Gebrauch der Schriftsprache überleiten viirdc. Jedenfalls hat der I^hrer in Ermanglung eines ähn-
Beben Handbuches stets auf die Mui iiii t iiinzuweisen, an sie anzuknüpfen.
"Wie Tokehrt und geisttudtend ist also die Methode, das allzugelälltge Gedachtoias d^ Kindes
ohne Msass ohne System, auf Kosten des Temtanta «id Heneni, mit Yidem gelelirteD Wnsk sn*
*) Baunar a. a. Q,, M.
^ TfL Baamer a. «. 0., 92, 109, 110.
5
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zuflillea! Weiss auch das Kind am £ude dos Scbuljahres auswendig gelernte, unverstandene, unver-
daute Begeln und Begriffisbesümniungen herzusagen, jstäa ea 'auch die logiKlie uid grammatiBclie
AnaljM mdBlfrittft zu handhaben; " man Vkjuüxb sich nicht, Fortoddritte hat m viM gnnacht,
Herz und Verstand sind leer! Es ; t (!Vs tin Abrichten, kein UnteRichten ! Darf es uns wundem,
dass der Schüler, sobald er das Gluck liat der Schule zu entrinnen, nichts eiligeres zu tluiii liat,
als den unnützen, ihm widerlichen Plunder möglichst schnell zu vcrgcs^'n V Aus diesem falschen
Uutemchtsprincip geht auch der Blissbrauch hervor, das Lesebuch, ganz im Dienste einer un-
heüMllen Methode, zur Einttbong der Formenlehre und der Syntax zu benutzen. Eine solche Be-
nutzung des Leadmehes .zerstört erstens den Eindruck der trefflichsten Sachen und verdirbt die
Freude daran ; m\ä zweitens führt sie die Scliiiler u'änxlich in die Irre darüber, irie man lesen mns
und worauf es beim Versteboi des Geleseuea aakommt." ^)
34. Wie oft haben wir Gdegenheit die traurigen FrOchte cfaier unannigen Ldnnieüiode an unaem
Handwerkern and Bauern zu bcmerlEen! Die Anstrengung, das Rin^'en nach dem richtigen Ausdruck
tritt um in jeder ilirer Satzbildunprcn cnteefrenr sie fimlcn WL'der Worti" nucli Wendungen, die Folge
dea kuiL-itlicheu lietnebi;:!» der deutschen Grammatili in der Volksschule. Wer sielkt nicht lieber, daää
der Manu aus dem Volke mundartliche Ausdrücke und Wendungen in das Schriftdeutsche miscbt,
skh dabei aber tinfuh und natürlich auadrßckt, ab Zeuge zu sein dieser Unfruchtbarkeit, die ana
d^ Negation des mundartliclKtt Elementes entrtanden ist, dieser Scheu, die der Arbeiter, der Bauer
vor joilein Buche hat, weil er über all dera gelelurten Zeug nicht in das Verständniss des Gelesenen
eingefüljrt worden? Diese Scheu hat grosse Älmlichkeit mit dem Aberglauben, der Selieu vor den
unerkannten, wenn auch wohlUiäügen Naturkräfben. Findet audi der Gebildete in den schnftUchen
AeuaBerangen des Volkes mundaitticfae Ankfiinge n Ausdruck und Wendung, venniBat aber daneben
nicht die ISnfaehhdt und NatOiüchhdt, diese Perlen Sehten Volkathuma, so wird er sicher an den
harmlosen Emdringlingcn weniger Anstoss nehmen, als ihn die „VcrschtOheUheit anwidern irird, die
sich der imnstreicberen BUcheispracbe bedienen mochte, ohne ea doch an wmiigen."
35. Obj^eich idi hier die Untertidila&ige nur hi so fem bertthr^ als bei Erlernung der
deutschen Schrlfiqiraiche die Mundart zn Grande gelegt werden aoD, und jeder wn politischen Lei-
denschaften und Vorurtlieilen freie Luxemburger die Konsequenzen aus dem Gesagten in r5etreff der
Erlenvtng der fransiimchm Sprache in der V'>^Jrs^rhiile seihst zu ziehen vermajr: so kann ieh docli
nicht umhin, wenigstens einige Worte der Beleuchtung diesem so wichtigen Gegenstände zu widmen
und in meine Ahhandlnng mitdozuflechteD, um so mehr, da die Bkmentandnde Bowel zur Förde-
rung als nUsehnng des Kationalcharakteis wesnitlich bätriigt
Kaum hat das hixembnrger Kind begonnen, die deutsche Schriftsprache durch Ansdiauangs-
und vielläeht Sfcechunterricbt, zumeist aber durch die kOusUidic Methode eines trockenen Kegel-
werks, so gut es eben gehen ma?. sich anzueignen : so wird es mit dem zweiten Jahre in die IVfypto-
rien einer zweiten. iimMi unbekaimteien Grammatik eingeweiht und ihm vullcmN jede iiaturgemüsse
Entwicklung am seiucm iunersten, ursprünglichen Wesen heraus zu einer reiucu LiuuOglichkeit ge-
macht AuBSO- der Hundart, an deren Verwerthung in der Volksschnle nicht gedacht whsd, besitzt
•) BnwMr «. s. 0.» IIS.
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das Kiiiil noch ksine Sprache ; ea ahnt nur von selbst die Ähnlicbkdt, die Vomandtacliaft, die zwitdn«
Himdart und deotacber Schriftsptache besteht; — und doch wird ihm zogemuthet, die ihm gSiudieh
nnbekaante fiaazSsische Sprache zu erlernen. So wird in unserer Yolksschale ein die natürliche Entr
wicklun;? dps innersten (ü'isfcslebcns zor^st'ircnilcr DualL^nius !n"i)s<!Tczo2fen, ein anormaler Zustand
heraufbeschwüren, der bei den noch so tüchtigen Anhigen unseres Volites die geistigproduktive Kraft
hciumca und allen id«den Sebwang unmöglich machen muss. Kiod and Lehrer stehen rath- und
liMos vor den beiden GranunatOGen, daa Progmnni jedodi ist vorgemiehnet; ^ und so mttlit sieb
denn in Gottes Namen der Lehrer so lange mit dem Kinde ab, bis dasselbe betäubt, bewusstlos die
Regeln der beiiloii Sprachichren nud wepren der Sprachenparitiit in deutscher und franztisischer
Sprache herzusagen weiss. Ich kenne Leute, die anch nirht ein Stcrbenswörtclien Franzuiiscli ver-
stehen, doch aber ini Stande siud, in einem Athem all die gelehrten Definitionen and Regeln in
franxiiBtBdwr Spnwihe bamntenreleieni. Die gesprochene Mundart, die deutsehe Sefaiiflapradie lud das
ItnnzOsiscbe In der VoDcsadinle — ist das nidit der moderne Thormibaii von Babd?
AneriGommiswettfa ist es, dass in dieser Besiehung eine Ideine Beaaerung in letzter Zeit einge-
treten ist, Dank den Bestrebungen cinsicbtovoller ÄEinner. Es gelang ihnen die armen Kleinen wenigstens
das erste Jahr ihrer eleinrntarcn Bildung von dem französischen Unwesen zu befreien. Wie wenig,
und doch wie viel, da die Besserung angebahnt! £ine hohe Uegieruug, die wahrhaft väterlich und
mit groaseo Opfern sich um die Interessen des Volkes kümmert, wird, nachdem die SebSden unseres
UnterriditsweBena bbs liegen, die Lutiative zu R^ornnoneUagen zu ergreifen niebt verfdden, zumal
da ganz Europa von der Strömung erfasst ist, den Bedürfnissen des Volkes in dieser Beziehung
Rechnung zu trafen. Wo es sich um d:is Wold der Volksliildiiiv.' handelt, sind alle politischen Leiden-
schaften giiuzlii h fern zu halten, will luau nicht alles an der wahren Volksbildung venlerben. ')
Es .i^ibt kein \'olk auf Erden, dem der Vortheil geworden, zwei Muttersprachen zu be^^itzen
und in denselben grussgezQgeu zu werden. So wie das Kind nur eine Mutter haben kann, so spricht
das Volk nur eme Mntterspraebe, sdn vnTei%Q8S«tlicbe8 matterlicbes ErbCbeil.
') l>er .uedcrdaitKhe Boad van Aatwefpen", ein ia dicMT gnmm Handelwtadt (Sti Erhaltung and Uobung de«
^tmiMh-nicdorljlndUchen SpraehgtittM und ToIkiriniiH tbiti^w Tenin, hat u du Abgeordnetcnkanuner in DrdsiMl
«ü» Bittachrift geriehtat, midier jeder Mcnschcnfr nu l inr den bostcn Erfolg wünsclien kann. In disMr Tontslliuig
lubat «•: ,Anf bduh sSnimtTiclien Untorrirfitaanstalttin des Staates ist nnsere Muttersprache, als VermitÖMin der
Gedanken, in unwürdiger Weise Ti-rirängt, und selbst unter triiiistitreren VerlmUiiis^iori ist ihr mit Notli der nnter-
geordncto Rang der aiuländischen Spfachcu (deren Unterrkiit eingeführt ist) angewiesen. Dies kc eino schmachToUe
Verkeunnng onsenr Spftch« ! Tom «rates Sdnitt«, den der TbnniBg auf dar Bahn des L«bena thut. nnd den gaoiaa
W«f entlaBg, den «r nt aeiuor Ocutesbildnng zurückzulegen hat, wird ihm der Gebrauch aeiiier MnttanpiadM unter*
aajft, erhllt er rm aeinem cifiranen Lande den Uuterricht in eiuer fremden Sprache nnd mnaa er !m Seboeeae Ton
VlSiii'Hcli-Tl. l^ien als ein Au.-njr.-iiiyiscnr-r ohw V/i'.frJ-ind si'-h Hilileu. T>i, s ist ein" Kränkung; iniiier T!.'<-!ite .ils >^e^^^L-Il
and als Bürger I Der Oeist, welcher gewohnt war, bei der Arbeit des Oedankena diesun in ein vläiiiisehtia Gtwauil m
kleiden, dem das tägliche Leben In TländidiMi Bprachformen entgegentritt, muss (ich selbst Terläugnen, sobald er in
den Danatkrela dea Datairidtta tritt, wo er nur fhutsaaiacb lernen, denken und fühlen soll Diea ist ein« iTodirtP»-
Srigkeit, wtlelM Ar Oeiateaentwieklnng nur naehtheilig adn kann. Die« dürfte genügen, um Ihn AnftDerkaamltelt
anf iliesen wi<:{itlj,'en Gegenstand 7;u lenken und um die Abstellung unserer crertu-hten Heschwerdti herbniinrühren. In
Ihrer ijorg« fftr den Unterricht, in Ihrer Ucbcrzcngung, daas strenge liechtaerfullong daa Wohl des Staatea bildet,
daas die Muttersprache das haUfttt 3rbe ein« VolJxs ist, werden Sie Sich beeilen, Folge zu geben unserem Ctand»:
daaa in dea vUuuaehaii Provioien onaerea Landes für alle Gnde daa Dnterrichta. aowie aaiiMB FlraiabewaiilMnigMi «ad
I^MAuven, dm TUMMIm die SMk eingeräumt werde, wdAe daa fVoMdaitcft« m Mitäk» «tue» haOe» /«Kr
hmitH tmntMwtauigtnttiH «mnAnmI.* (tfag. f . Lit d. AnaL)
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Die Einbeit der Eraebimg fordert absoliitf daas keine frandan Eaemente die YoUtsibildaiig ver^
derben, f!a<^ mit Erlenimif!; einer fremden Spi-ache abgewartet wenle, hh die inteUektuelle Kraft des
Kindes entwickelt und es in den Stand prsrtzt ist, in seiner ^rnttoi-sitratiic „nicht nur seine Gedanken
richtig uud geläufig auszudi'ücken, sondern auch das (resprocheoe und Geschriebone anderer Menschen
ikht^ «1 Tentabcn." Die Muttettgisdie .ist das einzige Mittel der Vereinigung und Mittheilong
cwiBclMB Ldirer und Lernenden; aie iat Yennitllerin aller Blldiing des Geistes und Herxens, des
Denkens, Empfindens und Glaubens. &i Uir ist Hers und GMtt, Teistand nad Enpfindmig, Walvheit
und Einfalt vereint.*' ')
36. übrigens irirft die Erknimig der feanxdsiscben Sprache in der VofliSKliule, wenn ich disBe'
geistige Toitnr so bezeichnen darf, für das spätere Lelwn des ScMlers einen äoaeerst spärlichen
Gewinn ab; schadet aber in erschrecklicher Weise nicht nur der Ausbildung in der MattetSpndie,
sondern audi (It iii \(tlksthi'nii1ichcn Gepräge iind tkin nationalen Bcwusstscin; der bedauernswerthe
Leiu-er wird genöthigt seine besten Kräfte ciiieni undankbaren Gepchäft zu widnirn. Kiii solcher
Unterricht, der d«äui Wföen des Schülers m widernatürlich ist, weil weder Geist noch Herz davon
ergriffen vrird, kann unmii^cli nacUialtig wirken; auch «ird nieauiid nngoen, daas nadt dem
Anstritt des Sehükrs aus der Eleoientacschnle von der gelehitai l^n»dnnengerei, die dem nur
allzugcnilligen Gedüchtniss des Kindes 90 aoigflUtig au^jediSagt werden,*) in einigen Jahren fast
alles spurlos verschwunden sein wird.
Die Gründung von Bürgei-srhiilen On'hnren \'nlksschulen) in unserem Vaterland« ist mir ein
l^weiij, dass der gerügte Mishtond zienüich allgeuiein empfunden wird. Diese Schule gibt für Er-
lernung der finaaiüKhen SpnMhe, die nnisre — allerdings bis snm Biiin unserer gewOimüdisn Vefts>
schule, bis zur Negation oder doch VemacUisBigung unseres Volksthums allzuhoch geschraubte —
Gi-enzlagc gigat Frankreich und Helgien zu fordern berechtig scheint, das geeignete natitrliche
Feld all; nur nin!=s aiicli liier die Grammatik wieder prakti^rln ii Zwei km dienen und namentlich
nicht sowul aul korrektes Sclueihen als vieliuelir auf niöglichst gewandten <.iebrauch die.ser Sprache
im Leben abzielen. Wollte man die au die \ olkssdiule behufs Erlernung der französisdien Sprache
gestellten Anforderungen mit dem wahren, emfuhen Zweck jeder guten naturwüchsigen ErzidMuiK
im Votkagiäste zu veränhaien sndien, so darf doch nicht daian gedacht werden, sn die schon
allzukurze Zeit von sechs Jahren," die der Volksbildmig in unserem Lande gewidmet werden, zu
rühren, sondern fbge ein siebentes Jahr oben an, das der fremden Zunge fast ausschliesslich
gewidmet sei.
>} Vgl Mflneh «. a. 0., 187 fg.
') lustruire riLrn(u:ii!ti' eufaiice en ce qui lui iinporle de conimltro, f'. >t Ir l"Voir de loilucation; mt'm vouloir
Ini prodi^er des connaiManoM qae, par incapaoiW fiibl«we d'esprit, i llc ne peat pas eiicore g'approprii-r . <-'">'
«onMir $m Mm et iw paa mvoir I« fakt, Par 14 m «liargwm be«ico(i|i Ui luinioin des ^I^vi k , qui » iniaj^iiu'ront
«tre des tafant», pane qutl« ont appr« et qulls rÄcitcnt un* multitudö de mot» wu y tttacher )• aeiw qn'U«
eiprimcnf. Cai nett pas un bienfuit, nmi» nne stMtiction qui fait du mal a la joiUWaM «t accase Iiavtement 11»-
l" r;t: ■ il ■ i guide«.... On roiusit ä fairr apprendro par cti ur am onfa^ti. L<nir mömoire est opÜDniromrTif a
couplai^aDtt! poar cela. A defaat do rintülUgeuce et du cwui, eUc s'exerce, eil« s« furtifie et r«iiljuit jouit »u iiiüius
46 00 faxm gvm de fiuci«. Gimd, ia PeiiMigiMiiiuiiii de la lang« natenuiU«, 1844, f, 133, S5.
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87. VIet lufc ni den bcnprochenen Unwesen ■) die fftbebe Jaaeblt betf^etrage», «Is müsse die
Volksschule eine Vorberdtimg zum Ojrmnasiuni sein. Die Volksbildung ist allgemein [und soll alle
Stände erfassen; sie ist für sich ein vollständig Ganzes und bercitpt nur in so fem auf höhere
Studien vor, als das rryniiKu^ium an die Errungenschaften der Elementarschule anknüpft. Sie hat
zunächst ein grOssereä Hecht alä das Gymnasium eben durch ihren allgemeinen Charakter und darf
m üuem Rechte nkhti an*« GjmiMäiiiii altgeben, mnn sie sidi adlut n^t au%ebiak solL t)brigeii8
Ik^ CB auf der Hand, daes eben eine gute VoUiabildiiiig das beste Subetnit fUr höhere Studien Ist
Mit der Yolkasehnle findet die BOdnng des Volkes ihren Abseblnas; jdle Vemachlä^gang also
in der VoJkasehule mag in den höheren Lehranstalten einigerman^^sen eine Rektifikation finden', das
Volk aber nimmt daran nicht Tlieil, und ist die Yolksbürlun.; verfehlt, so bleibt der ßauer, der
Handarbeiter für sein ganzes Leben üum geistigen Proletariat verurtbeilt. Man hat ihn nicht in
seiner Mutterspraclie für dieselbe erzogen, and so darf es uns nicht Wunder , nehmen, daas ihm
qAter irenig mehr als adne Mondaxt Qbrig bleibt, die ihm die Schule, trotz aller Terlebtlichen
XButaiisetzuag, nicht zu xmuben Tetmoehte.
38. Es dürfte liier nicht überflüssig erscheinen, den Eintlu^ nachzuweisen, welchen ein auf
natürlicher Grimdlagc fortgesetzter Gjmnasialuuterncbt nf die itndiivn^ Jugend ausüben vtlrde.
Ob^eich dies die entscheidende Probe des Totgescfatagenen UntenjchtsBystems iriüre, da sich die Wir-
kungen natuigemlsser Geisteaentviddang hier in deutlicher Form aospriigten; so mum idi dennoclt
Finneniah eiloct gegen die aUngeGUlig« AvAmIib» des FransSeüchen iu ita deutactuen BiMnugiaiMtaütett ml
den fAlMWi Stindm; da die Stdb I^rasMot«« enthitt, setze ich sie ganz Meliiii; Ge^en die erblrndielio od
flachküpfige Fran/n-i -iimii l)t Iiaf ilcr edle, noch Ir.niro nü ht nach läcincm hohen Werthe gcwürli^'l TT. rl. r svhlagvrnle
and inhalt«achwiTC Worte get^prochcn, die mui den V^utm-hen nicht nft gotiug wi«dc-rholon kauu, wc&Lalb sne auch
* hier eine Sk-llo finden iiiüfj^en: „EiuL- viel tbfere Wunde hat uns die FranzoüüiiHUi-ht geschlagen, ah der guto 'Ptt-
montTid angibt. Wenn 8|nache das Organ imierer Seelenkiftft«, das Mittel nnaerer innersten Bildnng and Eniehaagr
ist: so hflnneB nit meht nnders tls in der Sprach« noMres Volkes nnd Landes gnt erzogen irerden; eine sogenannte
französische Erziehung in Deutschland inuss deutsche C . innrlicr nothwen^lit' misabilden und irre führen. Mich dUnkt.
dieser Sati stehe so hell da al.t die .Sonne am Mittag. Von wem und für w.n »ard die französische Sprache gcbUdetif
Von Krauzüsen für Franzosen. Da nun in keiner Sprache 80 sehr die Mode, als in der franzüsischcn ; da Icoino
Sprache so ganz das Bild der VeiSnderlicbkeit. eime ireduolndea Faibeuspiels in Sitten, Meinungen, Benehiui'»
gm ist, ab sie; da kdne Sprache, wie sie, leiciite Schatten bezeichnet nnd auf dnem Farbencbrär glänzender
Lufterscheinungen und Strulenbrechungen gpii-li.t : was ist sie zur Er/Mi in j Inntsrhcr Mennehen in ihrem Kreise?
Nichts, oder ein Irrlicht. Also ist es gar nicht vermessen zu nagen, dass sie unserer Nation in den Stünden, wo
sie die Erziehung leitete, oder vielmehr die ganze Erziehung war. den Viirstand verschoben, das Herz verödet,
Oberban](t aber die Seele an dem WeMntlichaten leer gelamen liat, waa dem Gemiilh Fmde an seinem Qeschlecht,
an seiner lag», an seinem Benf gibt; und -sind dies nicht die staeaten Fronden? IT. s. w.* — Damit soll mtlirUch
keineswegs gegen die Erlernung der französis. ln n Sj.rp.rhp, ilie nun einmal als allgemeine VerständigungsspraeTis fli^r
Völker angenommen ist , geeifert sein ; nein , is äoll damit nur gesagt sein , dasn wir einen höheren Werth aui'
uii^ Mattersprache legen and derselben in jeder HiB^ht in Familie, Schule, St.iat und Kirche den Elironplat/.
einräomea sollen. Wie ist es mSgUch, dass eine Nation aioh wahrhaft achten lernen soll, wenn ihre Sprache, daa
limsiiUMvUche, ehrwUrdiire yemmehtnin ilirer TItcr, der lebendige A1)drae1c ihres bwcfsten Wesens, die gehnllgto
BQlle, worin sie ihm f; .nitn ii I>ankgoruhle zam Sihöpfer aufstiegen lüsst und ihre thenersteij Erirnrn;n:ren und
Empfindungen aun)ewj,li:i uu.l i inschliesst , wenn, safr«"^ »'■h, dieses allgemeine Nationalgut vor ihreu Augen eine
stiefmütterliche Pflege crfaliren und in Bezug auf Wrn li;;un^' sogar fremden Eindringlingen weiihen muss. Kann es
anders sein, als daas daa Urtheil der Nation liinaichtlicii ihres eigenen Werthes dadurch irr« geleitet wird. Vorr.
z« .Ovmatiiona VSikontimnctt.*
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liier davon absehen» indeni CB min nicht vergünnt ist, alle AuflstralimgeQ doer gesanden ünterridris-
methode scharf au verfolgen. Ist ja gerade liier (Lis I.ösunpwort jenes Räthsels zu suchen, dass unser
Volk, dessen Intelligenz doch ao sehr b«tont wird« auf dein liteifumlMO Gebiet eine TerfaältnissmäBBig
geringe TbUUgkeit entfaltet!
39. Eine plaamSsag aus dem VoOcdceni settnt entstandene Eni^wig nnd BUdnng, wo alw
dem KationalcharalrtCT volle Rechnung getragen wird, bat nicht nur höbe Bedeotung für den einzelnen
Menseben, sondern auch f ür das Oesammüclm im Siaat, dem jeder angehört. Wenn auch bei vcrfeliltw
VolksWMuiip: mancher sich durch besondere '^iinsticjo Umstände im späteren Lcl>en oder durch aus-
sergewuhnlicbe Anlagen und Fähigkeiten sogar über die gewöhnliche Volksbildung zu erheben vermag,
10 ist es nicht ndnder wnhr, dan fiir die ADgemeinlieit Ventand, Gemllth und Chankter, irie in der
Jagend, ao im s^ijxxak Ldien venndirfoiit IdeiR
Sobald die einzebien Glieder des Staates der VerwahrloBong anbeimgefiülen Bind, kann die un>
heilvollc Einwirkung auf das Gesammtieben der Nation unmöglich ausbleiben. In dieser Hinstellt ist
die ächte Vo!kper/ielnniir eine patriotische, welche äi liteii r.ürrrer?inn und Vaterlandsliebe erweckt und
dem Staate eine sittltclie Kraft ^'il>(, der es sonst hoiw pelit. In dem Lande, wo die Volksbildung
versäumt oder auf falsclier Basis uur sciieiabar gefürdeit wird, muää der sittUche Gehalt dem Volke
notbirendig» abbuden konunen und das XationalbewuaBtBein, wenn nicht erloBcIien, ao doch
ToUatSndig nnddier werden: den Kdm der Zeiatonmg nnd AiriHiwmg Iwgt ete aotdM YiSk und
wird unaufhaltsam einem andern Volke zum Raub anheimfallen. Wahrung des Yolksthums durch
nationale Bildung gibt die beste Gewährleistung für das Blühen and Fortbestehen eines Volkes.
Für den sittlichen Gehalt des VoUics lud wieder Uans und Schde die eiste Grundlage m
legen, uogetrennt von der iuteUektuellcn Entwicklung zu fördern und so das tüchtige Familienglied
vid dm treuen, brauchbaren StaatabOrger zu bilden.
40. In der Mundart drQckt der Menadi am Hebaten und besten seine GefUde ans; aie ist das
naturUchc Gewand seines Gefühls und bedingt die Bildung des ganzen inneren Menschen. gEs han*
delt sich hier nicht um Betonung dieses oder jenes Laut««, um Ausspraclie eines oder des anderen
Wortes, sondern um die ganze Ausdrucks- und Anschauungsweise, um den geistig-sittlichen Stand-
punkt, von welchem aus mau empfindet, denkt, spricht imd — am Ende auch handelt" *). Somit muss '
die Schale, die dch zuerst nt*B Gefühl zu wenden hat, an die Mundart anknüpfen. Wie die ersten
Gefühle des Kmdes durch den DialdEt geweckt worden amd, ao musa auch der Einfluss des Dialehts
zur Weckung und Erweiterung des Erkenntnissvennögens benutzt wprdcn, das im Gefiihl seine erste
Anregung findet. Der Vorrath von Wünschen und Ansichten (Gefühl und Erkenntniss;, die d;i3 Kind
mit in die Schule bringt und die der Lehrer als Anknüpfungspunkte zu benutzen hat, trägt au sich
ganz das Gepräge dea SiaMEts. Sdt an dieaem Gepräge, an diesem mitgebracht» CaurahAer ver-
greifen, hüsat nicht nur den Geist des Schöten Terstümmdn, sondern sich auch an aeioer Seele ver-
greifen, ihn für immor ans der Bahn ehwr Sekt aittUehen SUdung ablenken nnd das Individuum, ao-
') FroDinwnn a. ». 0, II, 99.
- 39 -
weit es der Schule mnylicli ist, spinom Xationaliliarakter entfremden. Pio.s Voii,'oli<.'n flcr Scliule Ist
gewiss gecijjnet, das Naüoaai!>ewus>tsem zu erschüttern. Der walirc ratriotismus, der mit materiellen
lutcresscD nichts gemein hat, kommt nicht zur Entfaltuiig, weit die mysteriösen Bande, die an's
Vateriand knüpfen sollen, gelöst sind.
Li dn oErten SGhnyatixeii, m da» Kind hanptdachlieh am der Hundert in die Sehriftepnehe
Ub^gdeitet werden soll, bestände die Aufgabe des Lehrers darin, durch mOodUchen Veifaehr (An-
schauungsunterricht, Sprechübungen, Erzählen und Nacherzählen, UnteiTeden, Fragen und Autworten)
zwischen ihm und den Kindcni ein lebendigem Wechs4.'lverhLiltni.ss licrzustellen,' welches, weil das
Kind nur (icmiitii ist, vorzüglich aui dem Gemüthe rulieu soll. Wenn das Gediichtuiss dauernd auf-
nehmen äoll, muaa zwi^clieu Gedächtniss und GedikMsiissobjeU eine harmonische Gleicliatligkeit
bcaldieq, die nur t«d der Mundart getmisen «erden Izann. Ea Ist ein groBaea Yerbreeben an
dem Volke, nur daa Gedtchtniaa anBcnbildai, Yeratand und Herz aber zu vemachlSsngen. Dan
unmittelbaren Ideenverkehr zwischen Kind und Religions- und Pcliullclner setzt die Unkenntniss
der Sprache ein unüberwindliches Hinderniss entgegen; so yrtift mau denn zur Ruthe, um das zu
erzielen, was nur der liebe, der Zuneigung aufbebalten ist. Datier denn eine unbändige Schuljugend
txetz dnea guten Naturella, daher oft Veriwechen, Thudoocht n. s. «b unmittelbare FUge
nicht avwoU dee Mangds an Sdiulaeit oder der Unfdfaii^ und NaebBasi^uit dea Lehrern, als
'Vielmehr des Mangdg an Schulbildung, herbcigefllhrt durch Unterdiflckung dea VeUageiatea und der
Vol^prache.
Die Perlode, in der die Gemüthsbildung speziell gepflegt werden soll und in welcher sie psy-
chologiscii einen relativen Abschluss findet, reicht bis zum zwölften Jahr; darüber liinaas beginnt
der Venitaud vur^uwiegeu. Da^enigc, was bis dahin mit kindlicher Naivetät ohne l'rüfuug aufgc-
nommoi inirde, untoUegt nach dieser AUeiatafe mehr den Anforderungen dee Verstandes; ^kuh
z. B. die BeUgionsldive ea nicht Terstand, hi den Benm des Kindes unaosrottbaxe Wunsdn st fMsen,
indem sie nur Gedächtniasache blieb, so wird bei dem Eintritt der ruhcrtät nnvermeidlicb eine
Lücke entstehen. Drt? Sehnlieben ist dann dem Knaben von vier/elin Jahren wie ein Xraitni ver-
schwunden, und er tritt, so /u saeen, vollständig unvorbereitet ins Leben.
In diesem i'alie ist unverkennbar diese Übergaugspcriode für die religiöse Erzieboog ungleich
TerhiingiiiaB¥o11er ata ftir die ElemeataihUdung im engeroi Sinn. Wie Sngstlieh sollte atso dafilr ge«
sorgt «erden, ia der Volkasdiute daa Gemttth des fflndes en bOden, au veredehi; mlcher Spiebaum
sollte der Muttersprache gelassen werden, damit sie durcb ihre tiefe, allseitige Einwirkung auf das
kindliche Herz alle TCcime des nemüthslebens zur Entfaltung bnichte! Und der Ikliffmi^tKnfrTnchf^
auf der Grundlage ciuös entwickelten (ientiithslebcns durch die Muttersprache auferbaut, welch' herr-
liche Früchte inniger UdigiosUM^ {remlit/ir i'hcrsmgung und Hingebung müsste er hervorbringen!
Qewiaa hatten whr alsdann nicht ao oft die betrübende EcBcbemung au bedanem« daas der Luxem-
burger, dem hindldiett VttAiandSb dem kbcMichen QewohnheltBleben entrOdct, hi der Fremde eine
notorisclie Glcicbgiltigkeit and Irre^lodtät bekundet.
Das Gemüthsleben des Kindes soll aus der kindlichen Sphäre auch hinübcrgeleitet werden in
die Sphäre des Ernstes und der Pflicht. Unsere Volksschule gründe einerseits nicht tief genug im
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Gemath, andietsrits ist de zi ernst, indem dnS| fns in dicBem Alter gepflegt werden soll, veroadi-
ßarigt wird, nnd Anforderungen an den kindlidien Ceist (sestdH iracden, die seinen Strebungen nicht
«nt^reehen. BeideB vird eneugt dorcli d«8 ^orinii dar NntürMkeiL
Nur wenn mau im rechten (leiste für wahre Volkserziehung thätig i^ wenn Verstand and
Herz nach der von der Xatm sdhiit vorgezeichneten Methode f;eliilfiet worden, wird die Grundlage
zu einer \'()lkbl>iidung gewonnen, die über 11011011 nnd falsclie Kultur erlmben ist. Die niunni^rfachcn
abstossendcn Erscbeinungcu weiden grosätentheiL» auigcUoben, „weldie sich im Tlmn und Treiben der
Jugend sowol als der Enmchaenen knndgeben, und alle auf die vorliaadenen Gebredieii der Volks-
liUdung liinweisent ata da sind: der Aberglaube neben dem Unglauben, viete ünwiaaenlieit neben dem
übcnnütiugen Wi^'n, und ebenso die Roheit und andere der Hchi^non und Sittlichkeit widerstrebende
Exccsse, welche mit der flachen Verfeinerung plcichcn Schritt halten." ') Es wird das Kind zum
Metmhm in der edelsten BedeutuJig des Woites, zu einem veraUoftigeo, denkimdea und sittlich
baadelndett erzogen ; im Qcmfith wird enradct nnd eniibrt GefÖhl fiir Beeht und Tagend, far Elve
und Wlkrde, fttr Freiheit unter d«n Gesetz, Sdtatrertrauen durch Gottvertrauen, endlich Sinn filr
Familienleben, häusliche Ordnung und Nothwendigkeit der Ordnung in dem grossen Haushalt des
Staats. Nur wenn wir in der Schule zum Volksgeist und zur Er/iehmip: dnrcJi, die Muttersprache
ßr diesellie /uiiickkehrcn, werden unsere öffentlichen Schulen /u^hmdi I5efiirdei uiiL'.siuittcl des Jiiir-
gcrsinucs, wird durch bie, ueheu dem guten moralischen, auch eiii Natwnuicharakifr gebildet und
die AjAängliUMcdt an dm &aat, dem jeder angehört, grfOrdert «erden. *)
Wenn der Lehrer ansnaliniswrige aus der waltenden Methode onwUlknrlich abschweift auf das
frische Gdiiet des Geistes nnd des Gemüths, so wird ihm aicher die Bemerkung nicht entgehen, wie
ganz Aug' und Ohr die Jugend seinen Worten lauscht, die er sonst hei seinem trockenen gramma-
tischen, utraquistischcn Unterrieht kaum durch Drohen und Strafen ruhi^^ zu lialten vürmaj;. Und
ganz natürlich ; er bat zum Gedanken, zum Herzen gcsproclieo, die Zufriedenheit zeigt bicli auf aller
Gesichiero. Weil aber dem Verstand und dem Herzen meist Iceine Bedmung getragen wird,
bleibt dar Verstand her, w^ das Herz einen solchen Unterricht Ton dch, der also auch fttn kOnftige
Leben nur wenig Spuren zurücklassen kann. Des Lehren Beruf aber ist es. den Faden der hliuslichen
Erziehung auf/unelimen, sie zu erweitem und so im Vpr?tand und Cemüth unaushisehliche Eindriieke
J5urückzula.s.sen. Die tüchtige Volksbildung übt !<omit eine gaii/e iieil.saiiic Wirkiuig niclit nur auf die
Geisteseutwicklung des Kindes, souderu auch zu gleicher Zeit auf die Auäbüduug seines sittlichen
GebalteB.
41. Oer EinfinsB einer natnrgemässen Votksbildang, die Geist und Gem&tb sich innerhalb des
Volksthums entwickeln läs.st, mnss nothwendigen\eise zugleich von gro.'?.scr Tragweite für die mate-
rieUeH Vorthede eines Volkes sein, (.ibgleich die niateiielle Seite l)ei dem Bilduiii^'s.stand eines Volkes
am allerwenigäten in Betraclit zu ziehen ist, weü das Volk nicht das gebildeteste sein muss, das am
mdslMi ütanbahaeu beaftst, wo Bändel und Industrie dk weiteste Ausdehnung genommen; so isl
Mttnch a. ». 0., III, 436.
*) YgL Skmjv, GnukUitw d«r Enieliois wti dM Uatenielitii!, 9i inag. 1885, U, 434, 439.
.i^uo Ly Google
mMn leUtar in nnwnr ao sebr dem Ifatnrklianiis vefbOeiwa Zeit dech allzofeiieigt, dieeoi Mmmt
Stab allein für die Bildungsstufe eines Volkes anzulegen, nicht bedenkend, welche anlmn tob der
Volkserziehung unabhängigen Umstände hier mitwirknn. wie •/.. B. ein ergiebiger Boden unter mildem
Klima, die gilnstige Lage eines Landes. Lhe tieferen Lrsaclien des materiellen Wohlstandes, na-
uieuüich da, wo die zufiUUgeii VMtheO» der Katar, der Lege des lADdes und des Bodenreich-
(htuDB iragfidten, ebd doch »udUdnt in einer goteu Volkabfldaog »i eneben. Der WoldetBud M
ereeentiich bedingt durch eine Volkser/iehnng , durch die sieb der Geist zum selbständigen Denken
und sittliclicn HaiKlelii erscliliosst und die auch den pmcint-n Mann befähiRt. fler Ölakne den
licbensuntcituilt in ileni HcwiL-istseiii seiner sittlichen Kraft zu entreissen. Ein l>]eniU'iuler VVohl-
stand, cler nicht auf der festen Cirundlage einer tüchtigen Volksbildung ruiit, bricht oft plötzlich
nttBounett, wdl des Volk, irakbes ihn gei^eett, nidit UMhr gesuid iai.
üt nnlüugbare Thateaehe, das bä dnein gut enogenen Volke die eodale Flage den Pur
jterismiu iraniger hdouint ist Der geistig und eitUich gut j^nldete Heindi «Ird mfl^eidi taug-
lieh fBr die Geednlfte des Lebens; sein Veratand ist geweckt und geschärft, er ist wahrhaft Metvsch
geworden, so da^ er beR<»er als ein aiiilerer nicht nur die verseil iedenen Situationen im T/Ipn
wahniülinien und m seitiem luatüriellen Vortheil ausbeuten kann, sondern auch, vermöge seines
sittlichen Standpunktes, den erlangten Wohlstand zu erhalten und zu vermehren weiss.
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ANHANG 1.
Dee Mnldsdie Dialekt imteradiddflt dch sdun lidfiudi wn dem ^tomitiiiM'iiwi und baierisehen
und Ueliet eiin geachmejd^jete AmsmäA 'Die toiten Do^iellaittedflr rtUMeutaclwi Mundarten io,
ü), MC, «a, ea, oi, oa, au, ai, das tief aus der Kelüc gesprochene ch der Al^nannen, z. B. Ckmd,
Chnechf, die breite Aussprache der Südländer des in- \md auslautenden st und sp (seht, schp) hören .
wie im fniiiki^cn Dialekt überhaupt, so auch in der luxeniburger Mundart auf. ') Dagegen wird
« irie «e( g<>sprochen, wenn r vorhergeht, & B. DenAt (DvnlX FenAt (fIvBt)» Wurada OVurst).*)
Li der laxanbiiiger Mundart bat irie in allen frinkiBelien, md fan Gcgenaals an den aOddeutachen,
wo es wie k lautet, die zweifache Ausprachc; nur ausnahmsweise wird im Anlaut k gesetzt, z. B.
Klirl- (rJlocke). ') T)oi frilnkischen Zunge ist das lioclulLut-iclie pf nicht geläufig, in der lux('tubiir<;i-
scfaen stellt dafür fast durchgänjj;!^ p, ?.. B. J't'it (Pfad). ^Vil' im fränkischen Dialokt, wird in der
Luxemburger Mundart inlautendes nd und lumier >iu, i. B. Kmner (frönk. Ktmier), gchonnen
(Mnk. gAmM^ hme» (Mnk. wim).
„Die wichtigste syntaktiscbe Eigenbeit des Oberdeufsclien ist, daas es vom dnfaeben Fne-
teritum keinen Gebiaudi macht. Für die Idtbafie Eriihhmg irird nur daa Fritaena venvendet (daa
somit alle Dimensionen der Zeit, Vergangenheit wie Zukunft, mitbezeiclmen muss), sonst gilt das
komiioiiirte Perfekt. Vom abgoleitoten Conditionale machen aber alle Gebrauch. Ein wichtiger Grund
sttHkt in jenem Mangel, warum unsere Dialekte von der älteren deutschen Volkspoesie (die durchaus
erlisch, man kam aagen «nfa tempus iustoricuni wie fundirt war) völlig abgesdudllai rfnd; dagegen
Bind sie, dmrcb gewandte Behaadlong der Kcn^unktivfimnen, mehr auf Gegenwart und Lmie gewie-
sen."') Dies trifft für die luxemburger Mundart VOUstäudig zu; es finden sich in derselben nur ^voniu'|^
Ueberbleibscl des einfiadien Pri^erttama, indeas daa davon abflutete Pneteritum Coiy. aelir liäufig
gebraucht wird.
Da Frankflirt n!s der Mittelpunkt der westfrünkisclien Zunge ajizu.«ehpn ist, so gebe ich zum
Vergleich ein Brudisiiick «us einer Frankfurter L.okalpo8se mit danei^en stehender Cbersctzung iu
luxemburger Mandart
') Nur in der Elr-Mundart wird beitu aoslauteiwltju *i ieiim Tlieil die br« it<' Auii-[irai he Att süddeutschen Dia-
lekte ln'ibehalten, t. B. BroncM (Brust), KoMchl (Knnst), Gäseiit (Gast), hie ühthgm luxembnrgiflclwn Moodlfton
(Sauer-, Mosel- Tind Oslinirer Mundart) halten die fränkischo Aüs^prache dca acslauleii ii n st ToUirtändif,' Ijpi.
*) Für die luxembniger Mundart iA dies dahin tu beriditigen, dMS si« twar diese breit« AoBitracke dei s bcibe-
hm, r jadiMk natolm uamUmM UuOtm (baiitn), YMhfar (Pantar).
■) Aiunahmc hieTon inaolit zunMüt die jSan«r4liBtot^ WO f im Aabit wis k aauMpodMit wM.
«> Ban» ft. K. 0., Vf, i 143.
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DER ALTC BORQKR-KAPITAN.
Kmlter Anika«. -Titttcr Anlbttt.
Jkr Kapitän, MiUer, dm JtM(Att mmJ Aw' MBgie.
Fraidfurt. LttX(m\burg.
Kapitän (wirft »ich mit vieler Gravität iu einen Lehnsessel) :
Seid ihr do? — Mil!f>nho! <!ic Knecht uf de Sit d'r do? — ^Wllerchen ! 't KiuVlit op de
rechte Plicbd, die Miiiia auj^ lie linke FlicheL — rechte Higel, 't Med ü|) de lenlie Fügel. — Alles
AllM in Belnor modedeerisclie Ordnnog in mefan an a enge r mttitliresdier Uftrdnung^ a taeejgm
Haus. MiUer! ndn Hut, umüi Stock 1 Hana. Mäkr, meb Hat, md Beogel!
Miliar (indm «r dem KapHSa Hat nid Sfeodr bringt xn 4«ni Owind«):
Jetzt kriedit «r ener Fettt Elo kridV ert Fettl
Kapitaii mit b-.l ckUm Haupt, den Stock in seiner Recht, nj:
Satansgezeig — venaaledeites! Wer ist schuld
dran, da^ gwono md kIBliae GebriUcUMte ab*
brenne, dass ganze Stedt vemisst wern dorch die
Klamme? Wer? ^rtistentluils des Gesinn. Ich
will uet druf schwere, da^ die Stadt in Üngem
wo derron in der Kemberjer Zeidong gestanne
hot, net aach dorch e Mähd angange is. — Ich
wiUs eich gesagt hawc ähnmol vor allrmol, dass
er mcr vorsichtl« seid uüt I eier uti Lidit! Lu
vorablich, ihr 6or»:h, da^ er mer net raaclitl So
wie ich ähn begegne duhn mit der Nuddel im
Maul, 86 sciuueiss kh sem eraua, da^ em die
Zehn in Oib fitbrnl Ua ibr Mahd, da» er mer
net wie bisher gcwehnegUch mit de LiclHer im
gan^^p Haus erura flankiert! Xemiiil die Ladern!
Und ihr Lisbeth, — trett se cmohl ervor ! — will
ich bai der GfAeganlM^ in gatem rotlw, daas sa
sich verfrehe losst ohne Kiippelie uus/eL'chn.
Meent se, ich hett se net ^isehn am Sonndag der
Hinnetdihr enaus «iterhe, im bloese Kopp, mit
W rotbe Schaal un giUt- Srlm y — Wo is se dann
do hingange? he? Noch Bornem.^ SdiottiHcli
dm£e? net wohrV — Ich sag es eich noch emohl^
ich leide tön Mahd im bkase Kupp, un aach
kan flaosknedit mit UmacblegsUwel, me ich ihn
Vcrfluclit Deiwelsi^ezei! W^n as schoIt dmn,
dat gros") a klciig Gebeileddi^ten afbramnn, d^
ganz Stet verlierrecht gin durch 't ll&m? Wea?
— M<?schtcndfls 't Gesinn. Ech wel net drop
schwerenj dat de StAt an Ongern, von der
an d'r Nirebeijer Zeidong geaUUwa 1iD(tt, net
och durch eng Möt ugangen as. — Lost fech
et gesot sin f«niol fir allanol, dat d'r m'r vir-
slchleg all iiial leier a Lächt! A besonnesch dir
Bombten, dat dV m*r net rficht! S6 edi
fin beg^nen mam Kluof an der Maul, da geheien
ech 'in se eraua, dat cm 't Zenn den Hals A-
fadien! An dir Med, dat dV m'r net ewd
gew^ueklech mat der liOcht am ganzen Haus
cr(5ni flankoert! IluOlt 't Lanteren! — An dir
Lis, — kommt emol erlir! — ech ech bei
der Qeligenb^ am guden rodm, dat ae sech
V( r^;on lest ohne Hanf craus ze gön. Meng
d'r, ech hett se net gesin e Soiindeg zur
Hanncrdir (hdnncächter Dir) eraua Wetschen,
blöskapp, mat hirem rode Schaal a gele Schong?
Wo as se dann dü higang? HC? no Borah^m ?
Schottesch danzenV net woer ? — Ech söu ech
et nach emol, ecli leide kcng; Med mat bUeem
l&pp, an och kimg; Hanaknfecht mat Rnachlaggti-
') l*t;r I.HUt tu') \i\tij kein DopptilLiut, »uii>li>m o ivird b!os darcli ti getrübt.
-J «! «kI c ti«fvr nnd «Inmpfer i^procIicitM o nnd c
.i^.o uy Google
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omhl gesehn hab, Valentin. Wo will dann
deas enaus? — uf nicks als wie uf Luinberci ! —
Ud äe, Katkrine, will ich net noch emohl mit
ikm Kaafiuunudieiier adm. Meoit 86, mer «Ms
net? Ich wälts alles! — DiJier kimmts, dass die
äuppe so versalze n-ern; kän Wunnor, wann »lor
des Nochmittags so viel Dorsdit hot — Jctz
Punctum, Btrei Sand diuml — Beelits um! — Fadct
«äch! (GcsiiidA ab.)
Velen, w6 ech doch och cmol gesin hun, Valan»
täng. W6 ypü 'hmn dät higön? — Ob nei^ht
wi v€ op Lomperei! An kh, Katerin, w£I ech
net meh «mol mat dam KAftnimiwdfagar (KmmS)
gcsin. Meng d'r, m'r wfeten et nef? Ech wCs
alles! — Doher kent et, dat 't Zoppen eso ver-
salzt giuj k6 W'oQBer, waun € Nomettes eso vil
Dteclit ItnAt— Nu Ponctom, sM Sand di0p!'->
fiechts te!^Ftkt ich fort!
Des wor recht, Herr Kabbedehn;
Menscfae alle Woch zwämoU bawe.
die I>at wor recht, Her Kapitän; b5 sotten d4
MeDscheB ea all Woch zwäool Io^bd*
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I
ANHANG IL
Am dem Aineclit, 0 einem unserer alten Bräuche, der mit der franzüsischeu Revolution oder
dodi «amnd der Hemehaft der Framom über laiwr LbimI (1795^1814) erloschen, lliMt deb ftr
alldnitBclMD Bvaneh «nd Sitte In oewccni Vaterlande Bedenteodes gewliiiieik Bb Jitat käme leb
vierzehn unserer Ortschaften, wo diese Feier stattgefunden, allerdings mit einigen AbwadnmgeB
sowol in Bezug auf die mitspielenden Personen, als auf cinijie Kinzelheiten der Handlung selbst Ich
BIII8B meiner Untosuchung natürlich die Beschreibung des ganzen iiraaches vorhergehen lassen, indem
ieh die Beriete der TerBchiedenen Angenzeugen in ein Ganzes zusammenfasse.
Das Amecht war eine 1' exeriiclikcit, welche aI\^brUch die Borscbeaschaft (Borscht) eines Ortes
auf «tnmi fMen Fletae beging. Die EiinbiiiB dun iranle vontdem Gerichte, von dem die Orl^
Bcbift äbUtagflg wer, dngdiolt Genrifludicb nebe Wodun rar der Kirmes trat die Boncbfc aa jedem
Samstag-Abend, ausnahmsweise am Sonntag nach der Vesper, zusammen; am ersten Abend der Zu-
sammenkunft wurdf'n die Vorsteher gewählt, die trotz der veracbledeDen oft modemisirtea Bezeicii-
Qungen ihrem Wesen iiach ho zicmUch überall dieselben sind:
1. Der Atnechtsmcister. (fiewöhnüch der älteste Jonggeaelle.)
2. Der Hochgerichtsberr.
8. Die fldNB G«iebidMn«t
4. Dar Hoebgeiiditmcbteibcv.
5. Der Dichtmeistcr (D l e h tlumc b terX
6. Der Wtrnnchrf^der.
7. Der Tbauächütüer.
8. Der HOller.
9. Der Btmfldmnte (BtreedmiMwrX
10. Der Sternseher (Stirekikcr).
11. Drei Freiniänner: der Scliarfrichter dtÜMt zwd Kiwehton.
12. Der Trofoss mit zwei KnrfliJer;
13. Der Feldscher mit zwu iiocchten.
U. Die sieben Linier (endeniiile drei eder vier, ninlicb Kbider von debeo Jabien).
15. Der ficheereMcMeifer mil zwd KnedHen.
*) Altd. ambaht, ainbahti, n., nhd. Amt; — jndici&ria potcstaa: jndiciarmra potestatem, unn ambaht Toeatu
tenltintee. Utk. tob 1083. Brinkmcier, glowarinm diplomaticum 1, 67 : Ambaht, ampaht, aroimidit, anunecht, etc.
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16. Die drei Husaren.
17. Der Amechtsbote.
18. Zml fUuieaü%er.
19. Zmi WihtacbBtam und endUdi
20. Der HuMorst (Paiaz).
Alle Übrigen waren die Amechtsbriider im engenn Sinne.
Jedou Abend. wi<nn die Amoflitsbrüder v*'iv:immelt waren, zündete man sieben Feuer (zuweilen
bloss drei) auf dem Platze an und trug herua Ii liese Feuer in eins znsammen. Ihzu masstc jeder
Amechttibruder ein Scheit Holz ntitbringea. Daun »leckte der Oicbtmeister den Kreis ab; die Pfähle
wnnkn eingeschlagen und der Kreb bis auf den Eingang mit dnem Seile umxogen. Obgleich diese
wöchentlichen Tenammlangen nur eine Probe nun l&upifeete waren, ao wurden doch hier Klagen
vorgebracht, Urtheil geeprochen und vollzogen. Wer ohne gegründete Unache einer Olmng nicht
beiwohnte oder zu spät kam, erhielt eine ruidi^afe oder Pritgel.
Jeder Amechtsbrudcr braclite des Abends ein Stück Brod mit, das so gross s?ein musste, dam
es nicht zwischen den ausgestreckteu Daumen und Zeigefingern durclitiei. Wai das iStUck zu klein,
ee wer der Amecbtsbmder stratfällig. Dieses Brod erhielt der Woennebreder, ein armer Tropf.
Dee Amecht hatte die Auisicht Uber die Felder, über die reifoiden FrUchte, die der Ernte
harrten. Garten-, Feld- und Waldiwvel wurde äusBent streng geahndet Auch hatte das Amecht die
Poliaeige\\all iiber die Ameclitsbrüder und verhängte GeldatnÜBD für alle Vergeben gegen die Sitten;
konnte diis MitL;lie<l die (icld-strafe nicht erlogen, so wurde er dem Profoss und aetnea Knechten
überliefert, um sein N er^^'iiea mit einer gewissen Anzahl i'rit.sciien abzubUssen.
Bei den Feuern zu Useldingen mirden alle Verseilen der Afnecht.«mittrlieder gegen die Amechts-
regel und überhaupt aller Feldfrevel bestraft Vergehen gegen die Auiet:htsregel waren folgende :
1. So lang das Amecht dauerte (vom „wten Oeteraonntag'' Us ai Michailis), dufte kein Jüngling
äeh mehr ab anf «eehs Schritte eraem Mädchen nahen; 2. keiner durfte sich betrinken; 8.* ktiner
unnütze Reden führen oder die Mitglieder anders als mit dem (irusse : Gelobt sei Jesus Christus !
anreden ; t keiner Sclilmpfwörter gegen andere aussprechen ; 5. keiner bei einer Versammlung fehlen;
und 6. keiner sich eines Ihi^choi^^amf fjegen die N orgesetzten des Amecht.'! .schuldig marhcn.
Sonntag vor der Kinnes fand eiue Art \ orfeier zum Feste statt. Nach der Vesper begab man
sich auf die Wiese, was denn auch gewöhnlich diese ganze Woche hindurcli geschab. Dort wurde
einem dasu mit vier Kronen herahlten Mann als qfmboliflchee Zeichen der Enthauptung der Hut ab-
geschlagen.
Am eigentlichen Festtage, am Künues>oniitag, welcher zumeist nach der Erntezeit fiel, liegab
sich das ganze Amecht, womöglich zu Pferd, ^Iu^ik an der Spitze, auf den auspewiihlten Wie-
souplatz, natliileui man vorher einen Tinztis im I»orf und vuliticht auch in den henaeliharten Dör-
fern gehalten. .\uf einem Wagen iührte man emen Stroiunanu um; vorauf sajsseu der ilenker und
seine Gehbtfen. Die Amechtsbriider trugen auf dem Hut einoi grttnen Zweig und eine Chärpe um
die Brust. GewöhnKeh wann andi die PfSside geschmllckt. Die Kunde von dem «Aualeiten'* des
Amedits hatte sich ton ganzen Lande verbreitet und von Nah und Fem hatten sich Zuschauer emge-
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fanden. Haehdon die sieben Feuer angpiQnikt, ziuammeogetngeii, der Kreis abgemenen, die PfiUtle
cingecamnielt und (Ia.s Seil darum geschlungen war, reitet das Amecbt in den Ereil; jeder begibt
äch &n dif ihm anj^'cwif i n< Stelle. Der Diclitmcistcr stccktu deu Kreis ab, indem er zweimal maSB,
einmal rundum und eioiual kreuzwcgs, worauf er den Amechtnieister fragte, ob das Henrnkrcux
rictiüg sei und dieser ihm erwiederte, das zwei Schritte» drei Zoll imd zwei Linien fehlten. Der
IHchtmeiater bieas die Uantelieadeit zurücktreten und mm mm zwätenDnl auf otrige' Weise. Man
tnt nieder vor, md dte IMehtDuiBter tagte wtedanin, ob riditig «bgeiiienMi hL Aof die bcifaheiide
Antirait des Ameebtandaten Mgt dieser: E$ stellt im WinJEel, w(» der Kuhfini im Ziriiiel
Um den Kros liefeD die sieben Ulvler, weiss geldeidee «lit rotben GSrtslli and Schuhen, um
die Umsteiteodeo ^r j^ yJfg u hft H^ r
Die FrexmSnner gingen um den Krds und boten den tjnstehenden Schnupftabak und Brannt-
wein. Wer annahm, musste eintreten und war nnelirlicb; er nuaste darauf mit geschwenltter Fahae
wieder ehrlich gemacht werden.
Der Amechtsmcistcr stellt sich m doa Kreis uud ruft alle nüher ßethciligteu vor:
Der Hoehgeriehislierr.
Aimchtinu-hkr. Was haben Pic liier zu thun ?
Der U,Kli[i':rkhts}ierr. Ich spreche das Urtheil über den Verbrecher.
Der Wirmiffm-ilrr.
A. M. Wiu; ha-st du liier /.u thun?
W. Ich bin hier, um uas überflüssige Brod zu essen, und um laeinem Herrn Wind zu
madien.
Der ThaHsehütÜer,
A. M. Was hast du hier zu thun?
Tli leb bin bier, mn meinem Herrn den Tban absuscbOtteln, (damit er; sich die FBsse
Dicht niB mache, wird m Stdnsel zngefiigt).
Der Mmtr.
A. JUl Was hast du denn hier in Oiun?
M. ^ mahle meinem Hecxn die KIden. Währenddem Uuft er im Kreise heran and
streut Kleien.
Der Bim.'fchnmcker.
A. M. Was hast du liier zu thun?
B. Ich bin hier, um meinem Herrn kund tax tliiin die verscluedenen Obstsorteu, die da
wachsen. Ich schmecke jeden Tag an allen Biiumen die Birnen.
Der Stermeher.
A. M. Was haben Sie hiei* zu thun?
^ Ich bin hier, um zu jeder Zeit zu schauen, ab fli Zeit imn Bidrieo seL
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Die drei Freimäimer in AmUndlt
A. M. Wiis habtii Sic hier zu thun?
Fr. Wir sind hier, um zu nditm detgenigea, d«r verurtheilt werden soll.
Der Profm irit sekm Kneehten.
Ä. M. Wa.s liaben Sie hier zu thun?
Pr. Idi liu zur Beaünduag derjenigen hier, die das Gesetz übertreten.
Der Fddscher reitet vor mit swei Knecbteo.
Ä, M. Was machst du hier?
F. Ich konune von Kr<ni,i,^ uud Kaiser,
Von Berlin m& Preisen;
Hier will idi eueh mdne Potenten wdBn.
Er »igt dem ^ JC ein i>tück Papier, dos dieser ab untauglich lor Erde irirft Dum «igt
er ein aaderee Blatt tot, das elwn&IlB verworfon irfrd ^att das dritte Blatt «tod als gültig vom
A. M. aiigiDummeo mit den Worten: .Soldke Papiere dnd mhrliaft giffljg«*' worauf der Ftidacher
an einem Kneclite sagt:
Steig herunter Toro Pferde,
Nimm die Paniere von der Erde.
Li» 7 Laufet, lefasht geUeidet, mit engen BeinkUdem.
Ä. M. Was haben Sie denn hier m thu?
Ii. Wir Bind iiier, nm den Kreis an teeehutwm.
Der BdneertmeHk^er.
A. M. Nun, mein Freundchen, was haben Sie hier zu thun?
Sek. Ich bin Iiier au laairen demjenigen, der hingerichtet werdm aoil.
Er singt einige Strophen, die ich ihres zottenhaften Inhaltes wepen hier übei-gehen muss;
nach jeder ätropiie wirft er das Meaaer rOcIcwärta Uber die Schulter und der Uanswiint muas es
wiederbringen.
Die 3 Husaren mit Waffen und Uniform.
A. M. Wo kommt ihr lier?
H. Wir liommen aus üohmen, Sachsen und versdiiedenen Welttheilcn.
A. M, Was liabt ilur Mar in finm?
K Wir sind hier, die Ordnung au halten.
Die Hasarm reiten vor den Kreis und bewahren den ESngang.
Der AMedhUÜKU.
J. m Was hast du hier an thun?
A, Ich trage die Botsdmft in der ganun GoBdlMibaft hemm.
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Die hddcn Fuhnoürüijcr.
A. M. Was habt ihr denn hier zu tlmii?
F. Wvc änd hier mit dea Lande^ben und geben «K« Sam demjenigen zuxlklc, dm
genomiikeii war.
Die hdäm WilämkSbm.
A. JC Wm Iiabt ilir liier za fhini?
W.WiäaA Ider, um der HenUddEeit Wild 2a erlogen.
Der Mattmrti, in gestOdcter Elddong, emai ndt KMe gefällten Flegel admingeiid.
Ä. nr. Na, was \M denn dn?
If. Ich bin der Paiaz.
A. M. Was hast du denn hier zu thun? ^
Ich bin hier, um zu verbeeseni, was verdorben Ist
Er läuft im Kreise berom, seinen Dreschflegel schwingend.
bt dl« TorUber, so wd ein Wagen mit 9 nUtem, bespannt ndt OdMn md Sflben (niclit
mit Ptoden) vor den StiiU des Hoehgeriditiiierm in den Extk gtfduren;*) anf dem Karren sitzt
ein Strohriiann, neben ihm Hanswurst und Schaiiükliter. Im Kreise war an einigen Orten zum
voraus eine Strohliütte errirhtet worden, aus deren Mitte sich ein hoher Baum erhob; oben am
Baum hing ein Korb mit einer lebendigen Katze. Der Strolimann wird unmöglicher Verbrechen
angeklagt, z. B. einen Wagen sammt Pferden zuui Uülineiloch herausgenommen zu haben. Der
HoeligeriditBlicnr ruft den Stöiekiker und fingt Om, ob es Zeit zmn Biditen sei. Dieser mnunt
eben alten Uediemen Deckel vor die Augen mid aehant gen Himmel, aagt aber, er ad» niclite,
weil ein altes Weib vor die Sonne....; zum lUchfcn sei es noch nieht Zeit. Dies wiederholt sich
mehrere Male, bis der Hiichaerichtsherr, dessen müde, den Stcmseher mit den Worten fortjagt:
SUuukiker, geh zum Teufel in die liöiie; ich glaube, du siehst nichts. Es findet auch eine Vcr-
tlieidigung des Angeklagten statt EadUdi «erden die drei fVebninner gerufen. Da de vor dem
Eingange aind, nnd die drd Hnaarai ddi welgem de einznlaaaen, ao mQawn sie mit diesen Ubnp-
In, bis es Ühibd gelingt einzudringen. Sind sie im Kreise, so sagt ihnen der Hocbgericlitslieir: Na,
ihr TJnterthancn . ihr habt jetzt euere Pflichten zu erfüllen ; ilir habt hier den zum Tod \'erur-
theilten hinzurichten. Der Verurtbeilt*; wird vom Wagen geiiouunen und die Freimänner schlagen
ibm den Kopf auf emem Blocke ab; der Kiunpi wird mit der kleinen im Kreise errichteten Stioh-
bfltte verbrannt
Da jetstt die FcdmUnner nnebilidi dnd, ao kommen die Ameditavwrsteher nnd mit ibnen die
Fabnentragw In die IfittOi im die Frdminner, die auf Befragen erUfaen von ibietn fiuidiwrk
ablassen zu wollen , wieder ehrlich zu machen. Der Scharfri( htor tritt vor und zwischen die beiden
Fahnenträger; di^ schwenken dann die Landesfarben über seinem Haupte, während die Musik
spielt Seinen beiden Knechten wird die Ehre ebenso wiedergegeben.
'j Xu weilen ist es «in Gritdriger Wagen, mit 6 OcfaMU Uspunt, «HCill «b lliltWIigeil , vilitD «liMi d«r Sular*
lütler fehlt and dem 1 Joch Ochaeo u«ht
7
I
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War dsß Spiel beendigt, so belustijjtu oma sich bei Tanz uud Wein ia Zucht und Ehren bis
zum Abend. Der Tanz wurde an manehen Orte« Aioeditatanz genannt Du Geld, welches nach
BeBtrdttmg der Koeten ttbrig bUeb, fiel den Ameehtalirttdeni imueBBiiiint m; nun fanfie dafttr
Wein. So hatte nuui in Usddzngen daa letztemal tin pnaea Fuder Bothwou gdouA, womit die
IGt^icdcr sich belustigten. —
Offenbar liegen dem Amecht echt mythische Züge zu Grund.
Vorab fet zu bemerken daa häufige "Wiedcrkelircn f^elieiligter Zalilen : sMmx Gcrichtsherren,
sieben LLiuler, dj-ei oder vier Läufer, Kinder \on hiahm Jaiiren, sieben Feuer, drei Feuer, die drei
Uusareu, drei Freinünner, der Scheerenschicifcr piit zwei Knechten, der FrofosK mit zwei Knechten,
der Fddfldwr mit awei Knediteii, der neumidijge Wa^. ^
Der Dtcbtm&chter (Dichtmeister) war Uer unvericennhur der Ordner, der Gäremooienmeister.
So sagt Gcimni in adnem Wörterbuch: Dichten beliBBt in erweiterter Bedeutung etwaa achaffen, eiv
deokeii} aufl^eDi anur^hm. Man übtet w^eit, Idre, reht, dne hobzit, einen bof.
Das Stück Brod, das jeder Amechtsbruder zu den Probeähungen mitbrachte und das
der Wornncbrcder erhielt, durfte nicht zwischen den ausgestreckten Daumen und Zeigefingem ilurcU-
üallen. Hiermit halte ich zusammen folgende Stelle: Sogar ein Glied des menschlichen Leibi wurde
naich dem Gott (WOdu) beaaaat, dar Baun nrisdieB d«n geatieektini Dmrneii nnd e igefiuger, was
die Giiecben Xix^ nenoen, bieas bi den Hiederbuden Weedenepanne, Wcenlet ^
Tim bei diesem dramatiachen VoUcaaidele alles ui verzerrter Poeaenbaftigkeit exscbenit, ver»
aahlägt nicbtB iUr unsere Untersnduuig, da das Verstäii'Iniss solcher Dingo dem Volke abhanden ge-
kommen war und dieselben nur mehr von der lächerlichen Seite aufRefa^t \\inden. t'T>erhaupt bietet
unser Amcrlit, trotz seiner späteren Vcr^erruii!? zur Kirmesposse, der Anhaltüpuiiliti! viele für deutschen
Mytliuä, deutsches Recht uud deutiiclie Sitte, ich glaube mit Sicherheit annehmen zu dürfen, 1. dass
' vmer Ameeht iet Vberred ebtes dtgermtatbM^m Opfsrfesltt imd Mar «um» JDsnJhy^ers irt, und
Jt. ion uir e$ m Übrigen mit muer Votkurimimmg an das «HjjKfeoftiw Dmg #u Üum haben,
Efaw PenoD des Amecbts beiBst der TbauBcbUtiler. Der Tbau gilt nocb beute bdm Tolk als
ein Ileilmittcl, ') er bewirkt Schönheit und Gesundhdt, wesbalb er auch zu bestinunten Zeiten ge-
sammelt wunlc. *) Dass der Thau den Gcrijianen himmlische aus der Wolke geflossene 3Iilch be-
zeichnete, und wie sehr nach dem Volksglauben die Hexen dem Vieh schaden, dadurch dass sie den
Tbau vom Grase abatteifeii, erheUt aus Gnmm und Mannbardu ^)
^^^^^^^^^^^^^^^ •
V) Vgl. Mnnnliardt, Germanische Mythnn, 1«'*'; Crimra, dcntscha Mj-thol. an vielen Stellen, tim^ Sinirock, dentsolio
M',1hi 1., 543. Über Drei-, Siebon- und Ncunxahl v^i. aueh Grimm, doutscho Rechtsalti'rthüm».r, 2. Xmg., 208, 213 u. 215.
'} Grimm, dont. M^ihol., 3. Ausg., I, 115. Vgl. hierftber auch dossen dentache Rechtsalterthümer, 100, und Hardt,
InjLembnrgur Wucthilawr, 1868, 345: Mnlicb «in brott lÜM w«Ut oad bnit, d*t or seinen dinmen imnitten 4nr»
Mf aetrt und rondlMratnb nH dm andern ftM mid gmidMia kaa n. i. w.
0) Vgl. \V..lf. BeitrSgo zur deutschen MytbolAgl«, 1857, D, 906.
*) Vgl. Mannhardt a. a. 0., 2?, 29, 30.
») 5Iannhardt a. a. 0., 5. lirinnu, Mytlu, 102(1: Man sagt ili:..n (don Wcttorhcxcn) nach, das» sie den ThiMi T<wn
Grase Hrfirhm (xler streifm, um dem Violi diulurch zu schaden, auch dass i Jen Thau fnilim tl,''!!!! vor Sonnen-
ftufguig von frtiindeu Wiesen »trcifcu and auf ihre eigonen tragen, um deren Gras Qppiger za machen ; daron sollen
rf» na Oma gnüno plunpcii Feaneu luniilMr Min and lueiH«a ale Thmt$trttditr,
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Hiennit hängt eng zmanunen das Amt des WosonebrMera, seinem Herrn den Wind zu mach«.
Der Wind tber mrd sls SMnoiler des Begew gefsoti indem er das Begensewümvi das Kcfedgrsn,
das den fsnacB Hinand libezzieht, zur gesehloaaenea Gewitterwolke nsnunenUast *)
Eine der Wettei^ttheileti ist Holda. •) Fraa Holle maclit Wirlidis-ind auf den riebirgshöhen
und liat ihren Sitz in der Wolke. ?ie wird auch dargestellt mit einem hoMcn Riickrn und einem
Knhsfliwanz nnd treilit die Kühe O^o^l^) ^^'^ sie ist also die himmlische Wasserfrau, die das
Wetter bcherrsiclit. Der hohle Rücken bezeichnet das Regen ergiessende Hinunclsgewölbe oder die
WoVceD. Srach dem Yolkaglanben erwartet man, wenn es die gaoxe Woche gengnet» dodi nm Eni«
tag oder SaaUkiff (dem der Ilolda geheiligten T:\g) wieder Sonnenschein, da am Sonntag Fnm Hofle
ihren Schleier wiodrr troclitjn lialion iniis.se. Hulda und die Pnligen Fräuldn (wilden Frauen), ihre
Bef^leitcrionen in Tirol, werden von dem wilden Mann verfolgt und sind Person ifiliationen der vom
Sturm gejagten Wolke. In ihrer Verhindnag mit den weissen Frauen, Elben und Mikren li^ ein
weiterer Beleg fttr die Katurbedeutuig Holdas. Oleidi WÖdan flOirt aadi Holda dnidi die LUfte
und gdiOrt zu der wflden Jagd, ja sie tritt als AnfiUnerin des wAtheoden Heeres aof. In ihrem
Grfolge zielien die Miren, die Seelen der vcrschicdensfen ncschlechter und Altersstufen.*) Wie Frau
Holda, Frikka, Oodc thcils als Wulkenfrauen, thcils als Windiicrsiinliühkeiten auftreten, wie das wilde
Heer oft im (hinunli.^clieu) Brunneu seinen Aufenthalt hat, o<ler im Wolkeuberge sich birgt, stclleu
die M&reu sich aber andrerseits als vollkommene Wasscrfraucn, als WolkcnkUhe u. s. w. selbst dar.'^)
Holda wird in den «nrolf Klebten* besonden'vereihrt; die zwölf NMebtebesthnmen aber jKelVittenmg
in den swüf Monaten des kommenden Jahres. ^ Der Woennelntier Ist hier der Stdhertreter der
HoMa in der Fonktioo des IT^nd- md Wettennachens.
Den Sturmwind stellt sich da.s Volk viu- als ein p'efrässlL.'os, luingei'igcs We^en und sucht ilm
durch in die Luft gesehüttetes Mehl zu be;-^ehwichtigen. ') So wird im Aineclit dem Wind bereitenden
Wocnncbrdder das Brod gcgebeD| gewiss eine symbolische Andeutung für das Füttern des Sturmwindes
*
>) ]bim1iu<tt a. ». 0., S21.
*} TTiilila wirJ in don V.illcsnmii.l'irtrti Fr;iu Holli'. IT.>!li, Hollefrau n. s. w. gemannt; iili'nfisel) mit ihr ht f>6io,
llröjia, abc'i aucli ikrttia (PCrälitaJ and Frikka. VgL Manniiardt a. a. 0., 257, 204. Grimiu, M;th., 24» : .Frau Holle
lommt vor bis ins Voigtland, ülxir dit BhSn hinaas im BSrdliehen IHnkcn, in der Wettoraa bi« sum Westerwald und
reicht KU Thfiriag«! Iwr in du vigniiMiide MiedemeliMa. Beburabeo. Scbweii. Btiani. Ötterrdflh, NorduehMn,
Madud keuMB aie nlelit unter di«wm lUaam.* Wo HoU» jnOrilft^ cndieiai tum Beidite, die mit Fm Bote
ttAe u. a. lasamincnfallt Vgl. Grinini a. a. 0^ 850; StUHTOCk, d«nt. Hyth., 409.
*) Vgl Maanhatdt a. a. 0., 259 ig.
*) IfamdunK a. a. 0., «60 ^.
^fiüinliiinU a. a. 0., 714. S. 7?6 haiiat C«: Für gcwÄhrilldi rili'^n iV\,^ S''>'l('n, wriin ^i'i nu-lif im Sturm (\vil<li'n
Hoer, Klbenxugl umfilireii. in Tle^'^ ii, JWUt. und Donner tUätig sind, öder auf Krden ak Lebamsgriskr wältsu, im
himmlischen Gcwänsi r iibcrli.nii t, ( Jor iu l r Wolke, die als Umnnen, TJerg, Burg oder Baum bildlich angeschaut
irird. Man atelHe aidi die WoUm auch als Vnv. m vlA idetau entetaad der Olanha an «ine S^mmc Ten Waeeer-
fraaea, ans danen dvreh Dilforatzirong einz«1i>e (RHtteMM lierrei^ten, welelie dier Im €lnind««aeB mir eine lind«
Holda (Pörahta, Fria-rrilkii-Fri;,'fr. l'r.'vja, H-.jo u. s. w.). Sie staii.lon AVoIt;! T,ii-Tsnnifi',;atiiiiieii .1.;-n Elben gidch
nad ^eifea deahalb auch gleich diesen in die au^leren 2lAtargevralt«n des äonncnKbcing, Wlndtis und Gewitters übefc
Axäi «ntbliea aie gleiek dm EDw dAffelta Batar.
*) Vgl V7olf, Zo'tichrift ftr deiit ItjOoL, 1, SM.
*) Grimm, Mjth., 602.
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mit Brod. Auch der Kleien streuende Müller ist hiermit in Verbindung zu bringen. Einen wdterai
Beleg finde ich in folgomloin. "VYenn das wütliendc ITeer daliorliraust und sich auf einem Baum nie-
derlüsst, und der Darunterstehende liat ein Stück r.roil in der Tasche, so kann os ilim nicht bci-
kommen. ^) In Kärnthea wird dem Wmd folgendennaassen geopfert: Im Müllthal wird nach Ankunft
der Htiidwr (Heioielier) du BltadnlHn Hen in die Luft graoifen und dabei gesproclm: «JM M
ifar Wint MM r<tl. «r Uas uns flTaodfe mit Glück md BU* (Da liftt der Wind sein Theil, er las
uns das andere mit GlUck und Bcil).^ In Siebenbürgen bieten die Kinder in ihren Reimen dem
Käfer an, wenn die I^monen kommen, das I^and der E!be (Kngel Land) verschlossen wird, so dass
er nicht mehr hineinkommt, ihn in den Stall zu locken, ihm Milch und Brod vorzusetzen. Diese
Gabe iat ein Opfer, dem Boten der Holda dargebracht la der Schweiz sagt man:
ibidlcbeB singt man andeniilrtB.
Oradeso setxt mas den Elben eine ScbOsBei mit Mflch, den Heimeben, d. i. IQtren in Berthas
Gefolge, einen Tisch mit SpeüMn Inn; auf bland dedct man den am Jvlabend umzieheDden Alflen
ebenso die Tafel. ')
Holda ist ursprünglich eine milde heluo G''ittin, die sorgsame Lenkerin grossen Haas- und
Ilofwesens. Sie führt die Oberaufsicht iiiier den I-eldbau. Holdas jährliclier Umzug, der wie bei
Ilerke und Berlita auf Weihnachten in die sogen. Zwölften verlegt wird, wo es nicht recht geheuer
ist, bringt dem lande FmMtaihuL *) Dann iUhlt die ganie Katur die G<»ttaiiiibe: die i^elbamne
blühen und tragen FrOcbte^ Waaser iranddt eich in Wefai; es ist Jnbd in der ganaen Hitur, sogar
das Vieh nimmt an I n Freude Thcil, liegt in den StäUen auf den Knieen und betet oder es steht
ehrfurchtsvoll bis der Uni/ug vorüber ist. In dieser Nacht ändert die Ponne ihren Lauf und macht
zwei Freudensprünge. ^) Diese Umfahrt machte Holda, wie man bei Göttinnen so oft begegnet, auf
einem mit noiei (khs&n bespannten Wagen. '0 Holda und Bertha begünstigen Ackerbau tmd ScbifGEahrt
'j r. Sagen, 138.
») Wolf. Zeitschrift, IV. 300.
*) Manuhardt a. a. 0., 355.
*) Grimm, Mjth., 246; Wolf, Beitr., II, 104» W« aie in OnMn Ümiltgcil dtuwb« Land naht, ist den Feldern Sogen
fix du kOsftig« Jalir gewiss. Simrock, Myth., 410. Dor Umzu;; der ITolda mit den 11,000 Elben fällt in den Herbat»
WO die Xktur das Leb«n gleichsam verliert, wo dies «ich S(:urü<-kzi(^ht und die Sonne immer matter sclieiut. Stt sam-
meln sich dann dio alles b^'h-bendcn Elben iin>l ;,'.'lieti ira uTosseji 7.w^<i in ihr..' fiiiiuiilisi Inn Wclinnt'.L'on zurück.
WoU, D«tr., II, 259. In Thüriqgen geht mau um Hittcmacht zu don Büumca and schattclt sie. wobei man iliuen zu«
mit: Biandieii, Mhlftf aJefct. Ftn HoO» kennt! Wolf, Baltr., II. 126.
») Wolf, Beitr., H. 121 126.
*) Wolf, l>itT., 1, 109. Hiermit hüngt eng zusammen ein Gebrauch, worüber Grimm, Myth. 237 — 243: Etwa uxu J*ä
Jahr 1133 wurl> iti einem Weide bei Inda (in Itipnarien) ein Schiff gednnert, «nten mit K&lem Tenebun and durch
Tcrgeepunte Menidieii meat nach Aoheii nnd so weiter tn» Xond herumgesogm, Aberall unter grosaem Znlanf und
Geleit« in Velin. Wo es niMelt, war Frmdenge^chrei, Juhehung nnä Tanz um dw Schiff litrum bis In die sp»t«
Nacht. Dieses Scliiir ist Hir d-'n Waf/cn li'V ( n.ttiii zu liakcii. ilio <k-n St.Tlli''li.ni Fr.i. hiU^.-k. it 7;utTi!.rto. T.>. sind
Spuren vorhanden, dass auch anderwärts in üeutächland solche iSchiffö muhergezogen wurden, namentlich iu t<chwabeu.
Bii TOrnt Batbapiotok^ vom NOmlMinbend ISSO cutiiah du VoboC: «Itein « seU aieh BievMi nur weder ti^
Cheferli, CkeferU flUg im,
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mter äm Menadim; dn JPfiug, von im GMsfim tübbSkOt ist ihr heil^ CtecStt. Auf üueDÜm-
sUgen beobachten de den Baiuhalt der UeudieD, beeonden das SpimieD und Wc^. Sie hehiai
mit ihrem Ge£a%e hl die Bäuer dn, und Sjpein md Tnmk, ab Opfer ümen hugeatellt, emwctot
«ie dort. ^)
Umzüpre in nnserpm Aincclit kommen häufig in deutschen Bräuchen vor. Am Donnerstag
vor Fa-stiiaclit versteigeni in der Eifel die Weiber den schönsten Bauui des Waldes und kaufen für
das Haid ein Itiüäclieu W^eia. Dieses mrird auf äiiem von Kiüten gezogenen Wagen unter aUerld
JUattMiZZm «Tnivte Dorf gefUhrt; dann irird bis spKt ia die Nadit getrnnhen. *)
BoMa ist die Föiderhi dar Feldaibejten, gibt Senmiwchein, Wind und Begeo»^) hat die Ob-
hnt Uber das Adieigerötfa und das Rindvieh ^ und treibt die Wollnn ab ihre Kühe ans. Ab der
Göttin der Fruchtbarkeit wird ihr auch hv'i .(l^'r Ernte ein Dankopfer gebracht. Auf nachstehende
Weise wird im Luxemburgischen noch heute das Erntefest begangen. Der Schnitter oder die Schnit-
terio, welche auf dem letzten Acker die letzte Uandvoll Getreide der £mte abächueidct, dreht die
Hahne in en«ni Wbdi nnuDmen, voean ton Bhimen Ko^ nnd Sdiwdf gefügt wird, und die so
entatandena Gestalt nennt man Baku» Ans Ende der Ernte kommen, bdsat dm Ecth» fmgm. Auf
einer Stange hoch oben auf dem Wagen, weh 1 »er die letzten Garben der Ernte heimbringt, wird
der Halm (ieiii Ilaitsherrn zugefahren. Barauf wird die Ernte mit Schmausen, Trinken, Singen und
Tanzen auf der Tenne geiicliloiäsen.
Wenn in niederdeutschen Gegenden die Ilausleute den llo.ui^en inlihen, Kissen sie etliclic Halme
stehen, binden Blumen dazwischen und nach vollendeter Aibeit äaiuuiehi äie aidi um die stehen ge-
bliebenen BQsdid, bssen £e Eoggenähroi an und heben drdmal an zu rufen:
Fm Gaue, hattet jn Eaner,
Dlit Jar up den Wagen,
Dat ander Jar up de Kare!
So rief man in der Umgegend von Hameln dem Selmittcr, der beim Binden eine Garbe über-
ging, spottweis zu: Scholl diit dci Gaue Frue oder de Fru Gauen hebbeaV Der stehen gelassene
fiilscbd ihren ])eiBt Fergddaiditstfrilss (Faa GodenfheitaBtrau^). ') Den drei Jungfrauen, die mit
noefai nacht« rerbazcn, verkleiden, noch einig fasannchtklc'iilcr anziehen, onch sicli <Ti>5 iKTntnfürt'Tis di s pflu^ und
mit im schiCTon enthalten, bei »traf 1 gülden." Griium fuhrt noch Btiiapiula von der itcwohnheit des l'liuffumsiihau
an. dl - iirspr inifH« h ra Kliren der OotUiett gwdtth, TOD TOkher VUm tfUMbtm Jalv Wld €M«lll«t dtt laMMt tt^
wartet«. Vgl. tümrock, Mytb., 410.
') Wolf, Beitr., U, 165.
*) W<,lf. /^itschr., I, 89.
*} VgL Mannhardt a. a. 0., 471 Ijp^ wo ea m. a. beiast: PSnhU ickort nod pflOgt vit ihiem Pflog« «ntar der
Erde, w«im die HtiuelieD oben pflAffen und aelrern; n« ttrant, wem der Landnann leine Felder beeit, den beate;
Samen zugleich mit ans. Auf ihr n. Lot mFis^on i.lio E-jimchc-n dio Folder und Fluren der Men>^. In ii Ijtiwäss.jni. n. k. w.
Von Frau Holda heisst ca in Frauken, da«^ »tu frotimten Müdclion bei der F«>Marb«it hilft. Dasselbe gilt in 'lirol von
Frau Holda und den Sibgen Fräulein, ihren Uegleiteriimen. Vgl. ttttb Wölf, Beitr,, II, 87.
*) VgL Uannhardt a. a. 0 , 25", L'i^O, 2«3*J, 269. U79.
»J VgL Wolf, B«itr., I, 173; Minirock, .^Tj-th., 510.
•) Tgl. Ibwdiiidt a. a. a. 2$», 364.
') Otimn, VjtL, «1» Slnrock, Mjfh., 410, 920; WoU; Baitr., 1, 176.
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Boldft iit «oger Verbindung sMben, ^rardnD bd der Ente drei Xomäknn ah Opfer aitf das Feld
hingelegt.*) Auch bringt man der Güttin Korn, W<tcJis und FlacJis zum Ojrfer,*) die als Vorsteherin
des Feldhaues namentlich für Flach? und Spinnen eine besondere Soi^e hat. In Baiern und Hessen
bleibt beim Konischnitt ein letzter liest der Frucht auf üent Halme stehen und man nennt dies
Entfeoid'er den Aswald, den Yogclzchntcn, das Glück.skorn, den H&hnbock. Die Komgabe ist allge-
jndDes ErnteBrmbol.*) Im Odenwald irird von der xuent bebngeftluenen Frndit eine Oarbe gewSblt^
und Nacfits /w if Uhr den Engeln im Himmel zur Zehmng aus der Scheune geworfen. Diese Garbe
heisst der Emfesegm.*) Im Moütlial (Kliintlicn) schenkt man der üprchta Siteck, Würste, Mehl
u. s. w. Am \orabend des hl. Difik iiiii:t;ij,'es wird Brod und Milclispeise ausgesetzt; wenn sie
kommt und davon isst, so wird ein gutes Jahr. In Yordembcrg (Steierniarlc) setzt man Milch und
Brod für die Beiscliil in das Vorbaiis; am M<n]gen ist alles Tcndnnniden. ^ Nadi Harün von
Antbog lassen die Leute der Percbt (PSrahta) an- der PeFcbtnacht Stsen odor Trinken stehen,
d. h. sie opfern förmlich Speise. ^ Ilicunit ist zu n i ^i: nzulialtcn, was oben über das Füttern
des Sturmwindes mit Jirod gesagt wrdon; dies Brud, das ilcr Woenncbrcder erhält, wird ur-
sprünglich der Göttin der Ernte zum Opfer gebracht. ^) Es liegt nun nahe, dass mau bei diesem
imd Bfanlichen Opfern daä Kora zu Backwerk bereitete und die Gotter selbst und die ihnen
gdieiligten Tl^ in Teig nachbildete. Unsoe «GebadEBmännecber* (ontn denen aueb Ibierge-
Stalten, wie TTasc, Hahn, vorkommen) sind Ueberbleibsel dieses heidnischen Eiauches.*) Das Be-
schenken mit Backwerk, das hier m. St Nikolaustage üblich ist, kbnt sich aas diesem und anderen
Gründen an Holda. *)
Ein deutMhlu'iiliii.sclu'r Zug wii-d uns im Amci'lit gcbuteii, iiulom joder, der ct\v:Li von den
Freimiinnem, die um den Kreis gingen, annahm, eintreten mussle und unchrhch war. Der Kreis, die
Uigestalt des deutschen Gerichtes, findet sidh aueb in den dentsdien Sagen, sowie das Verbot, etwas
zn geboi oder 01 nehmen, hundortmal in den Hexensagen Torbomnt
<} Mannhardt a. ft. ()., G41.
•) Wolf, Beitr., I, 177.
*) Boehhdt, deutscher Glaube und Braach, I, 314.
*) Wolf, Beitr.. 1), 427, dcnt^t dio Kn^^el des Himmel» auf die Vivgcl, was allerdings »i^ltei« kiBuHmf dciTolte
•ein mag ; nach Mannhardt a. a. 0., (XS, Anm. 4, «iiid bler die Elb«, ^ denn KSnigiB HoU& «IMhela^ n ventdUB.
-) Vgl. Wolf, Zcitschr.. IV, 2Ö9 fg.
•) Grimm, llytli.. 256.
') Bevor Abi Odilo Ton Clagnj m. Ende dw ailfton Jahrhnndcrts an dieses Ktrclieifert (Alleraeekntwt) gedadlt
und dann Papst JohanoM XVI. dasaelh« anf den 8. Korcmber festgesetzt hatte, feierten die Heiden um eben dfew
Zeit K ivnil) r< <\im Fest zugleich des scheidenden Sommers nnd der mit demselben hingeseliicdoiv n Si-i-l-n. zog
alsdann das (inmc Heer der Tmllen um, wurde von dem zum Ojjfcr vcrsanimclten Volke hogrüsst nml mit /'xm /i auf-
gcftellteH S}>eüen zur WrfterrciKft gestärkt; oder es wurden auch statt der Todten , die keine Wegzehrung nii-hr In ^^^rlut' n,
ihre Stellvertreter, die Armen uai Siechen, mit Tnak snd SpeiM eiqnickt. Reehholi, denticher Glaalie und Brauch,
I, 300.
*) Vgl. (Jrimm, Mj-th., 45, 56.; Simrock, Myth., .520.
*) r>i«sc8 Backwerk sind Opforknchon, welche von dem neuen Koma der Gottheit der Ernte als Pankopfer fiif
den Segen des Feldes dargebracht wurden. Vgl. Wolf. Beitr., I, 50; Montanas, die deutschen Volksfeste, I, 5 (>. Früher
verldeideten licb am Weihnachtsabend die WertheiiDer USdehea ia Vom Hulda, indem eie ein weisees Oewuid «nkgten
«nd iSae &one Ton Goldimpier anbetsten. Dan pttm Kinjien IncU«! ädt Wdlniaditoliftmne» 'mäamA tto die
liBiea mit Ituthcn straften. Wolf. Zcitichzjft, I?, 19.
") Vgl. Wolf, Beitr., U, 255.
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In welcher Beziehung stand das Feuer mit der Göttin Ilolda, der das Ihmkopfer galt?
Die festlichen Feuer, deren heidnischer Ursprung unzwcitelhaft ist/) haben sicii tlieihveis
noch bis auf den heutigen Tag erlialten, so die Oster-, Johannis und Martinsfeuer. Diese Opfer-
fener, die diemalB In den deutschen Gauen la venddedenen Zeiten und unter veracbdedener Be-
nennung brannten, galten den Wesen, die als Feuer- und Wettergottheiten über Fruchtbarkeit und
GeJeiheu in Feld und Stall gelioten. -) Im Amecht haben wir O-S mit dem Datikfeuer des Martins-
und Miehadstagcs zu thun, das der Göttin des Ackerbaues naeli glücklich eingebrachter Ernte
flammte. ,Da3 Erntefest, sagt Montanus, ^) war früher eines der Uauptfeste des Jahres und bei
nklMni Getnidflmgsa wA das freadigste. Die Erntetest» wurden im diciBCUdien MittdaUwr mit
den IDrdiweifalesteni Kimeaaen, verlmiiden, vieler AniNlNnlCongen balber tOm doxdi Uadboliclie
und weltliche GdMite niedor davon getrannt und die Kirchweihe in eine andere Jahreszeit verlegt.
Viele Erntefestgebräuche, namentlich das Emk'feuer oder Hervastfeuer, welches man nach der
Weise des Jokannisfeuers mit gewissem liitus anlegte, anzündete und umtanzte, wurde bei den
Idittesten Stnfim ab heidnischer Unfug verboten. Kamentlich wird da$ Werfen der Q^mäMm»
mä Fm^igai/^ «n diew' fSwer,^) vnd das Fmchfstreiten unter den Komberm verbotweise
enriihnt. — In Franken bUeben die Amdtfeuer unter dem Namen Driescblag und Scbnittlag (d. h.
Schnitter^ela?) bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts übrig. " *) Auch hicrLinrls wurden am
Ahenil vor Martinus bis in die letzten Zeiten die Martinsfeuer angezündet, indem ein Twum etnp'e-
pilan/t, mit brennbaren Stoffen umgeben und in Bniud geäiedct ward. Um den Ikuiit wurde
gdwtet, gesnngen und getsnst.
Wolf wies in seinen Beiträgen snr deut Hjth., n, 70^80, nach, das Tlnmnr der SobA
Gedefliai spendete. Sein heiliges OOerfeuar, in welches die rothen Eichhörochen gejagt oder geworfen
wurden, brannte auf Getrc'uhfthUm, um die.-c frttdUbar zu machen, vjA wenn das Korn seinen
reielien Ernteertrag gespendet hatte, hess uiau den Büclun d« Gottes in mehreren Gejrcndcn zum
Daulc die Idsie Garbe, in Siiddeutscldaiid JJaiitibock, ilaheryem, in >iiedersachsen ßocksthom ge-
nannt, stehen.^ Wir haben ölten das Stehenlassen von Büscheln zu Ehren der Frau Holda gesehen
und werden unten beim Terineunen des Stndmunmes dsimnf zurilcUEununen mOaen. Dt es Über-
haupt zwischen Thmmr und Hotda vide BerUhraogqpunkte gibt,^ und neben der nfinnüchen die
VgJ. ."jiuircKk, Wjtb., 5ü5.
*) IlMr diMB FoMr und «m Bedratnng Wolf, Bdtr. . II, 895.
') Die deutschen Volks^sto, VoHMbrüu i.c u. 'i. w. , 1854, I, 48.
*) Also, wie oben gczeif^t, Opfergftben za Ehren der lloUa.
*) Der KhüM G«bzsw1i, ut WcllnaelitofeBt* doen Bum mit IJcMtni raid Oibon n MhinQ^a, Ist «In Üb«r-
Mai dieser 0|>ferbräui-li'< und ist unserem Brauch , die Kinder am Nikolaustn;: ?n liesdh iik. ii, nahe verwandt. Dl«
IBrche in ihrer wciiien llaudluiigiweise h«t die Feate d« Heiden aUmtUig in christliche verwandelt. VgL Uoutap
DOS a. a. 0., I, 13.
•) Mannhftrdt a. a. 0. , 137.
') Vgl u. a. Mannhardt a. a. 0. , 206 , 2C7 , wü sich iwti golden« Jk-ckü in HvUas Wv»liul.üui. Utiinden , 287 ,
293, WC Ilnlla ab Sonne gofasst wird, und 341 , wo der SchlQucl in den Sagen von der weissen Frau der Jtlits
i*t Woll, xtsciir., U, 97: So Ti«l wenigstens gUabo kb goteigt m habe», daas der Dieut unterer all«n üiAi-
tut i.ti fast Qbcrall und ang«iwiiifeB nif dio IM«nmatter (HaUa) besogaa Warden laaa, ud baiiiahe dnrchw^ nit
dein Tinuuffdiemte in VerUndoiig gaiMlife Warden nw. YgL weitet dMiidae., II, 91 ^.
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«eiblidie Bezddmiiiig aäa bXufig ist; >) da üemor Üat dm Thimaiiailtu liierlaiidB wenige Zcngniaw
and, mid der ew» ZuanniMiihing im Amecht uf Hold* hinmiat: so darf naii mit Sicberlieit
scUleaBei, daaa Sur ab dar Göttin der Ernte diese Feuer empoHodertesu
Was das ZusamtnetttrarfOt der stebm Fetter in eins betrifft, dal dchcr echt mTtIliBCbe Bfr*
gründung hat, so habe ich Jüinlichc Bräuche nicht finden können.
Bemcrlccnswerth sind nocli Katie, Korb und Baum. TMo Kntrc bicM. wie die Göttin HoMn, in
den deutschen Mythen eine zweifache Seite, eine Licht- und eine Schattenseite. Wir finden die Katze
als PfScüieriii, «Is Dienerin dar Thierkönigin genannt; Kobolde nnd Zwerge, Uber dia BoUa-Fr^a
au herraelMO adietat, treten in Katnogeatalt auf; Tenfd und Heien retten auf Eataen.*) Ober den
Korb bei den Martinafeoem tbeilt Wolf näheres mit In dem Iibrtinriied ans Iserlohn beisBt es: dat
jKMarm^m maat verbramU werden. Kin anderes Lied beginnt:
O Marten, Marten,
der Korb niu.sH nrhrinntf pcin.
Der Korb scheint lici dem Feuer eine Hauptrolle gespielt zu halten, wie beim Joliannisfeuer
in Paris der Korb, in dem äie r» verbrennenden Kaisen etngesperri waren. ^) Auch iß unserem
Fledcen Mereeli ward am Haitinatag ein Eafy veilnannt, woittber wdter unten.
Der Baum, der in unaeram Brauch über der Strohhütte hervorragte, mag wot die der Holda,
Perahta heilige Lntde gewesen sein oder docli bedeutet baben.*) Wolf berichtet sogar ton eber
KattwUndet nm wdebe ^ Hncen in Katiengeetalt bwumtanaten.^
Sie Amechtsbrüder traten bis zum Habet, der Kirmeszeit, gewöhnlich an den Samstagen
zusammen; nun ist aber unzweifelhaft, dass dieser Tag der (U^tün Holda geheiligt war. In einigen
Gegenden iMitteldeutschlandä heisst der Samstag noch llAJrntag, Franm-HnUmUnj.''')
Das Amecht wurtle zu Anfang» des TTerlistes .,aus^^t'ritteü" ; sogar noch, als des Unfugs wegen
die Kirmes vorgerückt worden sein moclile, fand zwar die Ilauptfeier am Kirmestag, der Schluss
aber erat zu Herbat statt ^ Bis dahin traten die AoiecbttbrOdfir hi die Hechte der Göttni, deren
Fest sie begingen, indem die Borscht die Obhut Uber die Felder hatte und Feld- lud Waldfrevel
ahndete. Auch Uolda tritt oft strafend in dentaehen Segen auf.
Mit dem Martinsfeuer und den Opferfeuern überhaupt war immer ein Ftsdimhl verbunden.
So sdüoss auch das Amecht mit Lustbarkeit, Tana und Wein. Hier anzuziehen ist ein alter luxem*
») Wie dem Sohno (Thonar). »o werden diese Feuor (Ostcrfenw) andi der IfntteT gegoltm ImIwp. Dm Feit d«r
vom Winter.HoliI:^!':- i fitivtnl n.^n Ya-'V. mu^st- sich $c leichter crhaltett, da M VeifClMigt in dtt VwM^Ktg dct
duristUehan Osterfeste« cino Stütze fand. Woiif, Zcitsciu., 1, 892.
*) Wolf, Be«r., II. 419.
") Wolf. Bcitr., I, 43.
V^l. Wolf, Beitr., I, 168 fg. Auf den Baum konuiMn wir mten mück.
') Wolf, Bdtr,, I, Ifl».
•) Vgl. Rochholz a. a. 0., n, 50 ffr.
*) Noch h«Ht« wild ia d«ii Bnierndaiftni wtttlieh Tom Oberbarae die Kimm als Emtefeit g£f«iert. Wolf,
Zcitadir., I, 89L
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bnrger Brauch, dass am Martinsabend die Mmiinsgans Ix-iin Schmause verzehrt T^-urdc, wobei der
Wein nicht fehlen durfte.') Feuer und Schmaus sind unzweifelliafte IJestc dcutsdüieidnischen Brauchs.
Aus allem geht unzweifelhaft hervor, dass das Amecht ein Erntedankfest zu Ehren der deutschen
Ceres, unserer flolda ist> Das Auftreten von Personen, wie der Müller, der Biroenscbmecker, der
Woennebr^er, der Thauschüttler, dar Umng mit im nmniidrigen Wagen, mtt Odm und Kühen
bespannt, die Qabe an Brod, das Thauabatreifen, das Whidmachen, die sieben Feaer, Katze, Korb
vnd Baun, die Belustigung am Schluss der Feier, die Bestrafung des Feldfrevels, das Versammeln
an Sannlagen, endlich das Ausreiten des Amechts zu Herbat, — all das gestattet keinen ZweifeL *)
») Vgl. Wolf, Bcitr., I, 44 fg.
') Rochholz in der angeführten Schrift .Deutscher Glanbe nnd Brauch o. s. w.* {Ohrt Ihnliche Briache an. So
bciMfc e» Bd. It 809 : Beim Feste der Goldenen Jlesse n HUdmiieiBl. (Us nun BcUotM in •ogen. OeiMiiiwodie 14
Tige nuh MrahMlu (29. September) begangen wwd«, iHMe dw BÜdetbelner Stift tlle tieriMigdroiiniunra OStte und
Fremden nach alfbestiirirnttr Xunn lu ln>;a»tcn. Aber das dabei allen gleic^lTn^^ssiJ^' Ziikommende war ein cbli^ratcs
grosse« Zweckbrod. Ah der KlosUirreförmatur Brasiclüiisi eben znr Zeit diescis Fi^atei das Süfi bmichte. erhielt er
aeben den Obrigen satznngamüssigcn Gerichten, dem bestimmten Quantum Tafelwein und d<!n Torschriftlichen rier
SelüllingaB Zehigeld, ein veieaee Weekenbrod von iolohem Umfuge vorgeeetit, da» nneh aeiner Venielwnng all«
dtonntigtn TiaehgUMaaen taatomMB dana gnrag gehabt hltleB. Eben dieaea P«(t der altslehrfaelMa Gemsimroehe, dk
,hiHi(jc menweke", welches in dreitSppp^cr Datter ai:f Ende Sept«»nibi^rs fiel und da« Frnt,-jalr mit TTi'hen feuern, Opfern,
VolkgversammlHHg und Tänzen »chUm, ut uns dutth Widnkinds von Con-ey Annnl-^n als ein Mir christliches bertStigt.
Jetzt noch fallen unsere Erntefest« yielfach auf Michaeli Sej-t. mlK r), aUo lipimlieii auf ii,' unterer altdeutschen
JahreaeinthatUag entaprachende gleiche Zeitacheide, nnd sind begleitet von laudscbaftlicben Kindiramz^gen, atAdtiacb«n
Fatlapidtn und Ortabrlndian, in d«Mn deh der Wettkampf dea Samnicn vai ITintei« aeeniadi aoadiiekt. Il«m ndt
der Bergutig <1os Pflugns li^'frann der altdeutsche Winters- und Ncajahrsanfang. Seit nun nach Juliauischeiri XilenJar
der Winterb^sinn auf Martini. 11. NoTember, gerückt wurde, sind auf diesen Termin auch unsere Sclinittor- und
l)reschcr»chmiiasL>, HL^rbitgcrichte und Zinatage mit hinansgcrüi-kt, wvi M-irtiiii srhlie^st nnn das Pacht- uiiJ Acker-
jahr ab. Sben deshalb wiederholt jetst dieser neuer« Wintertermin das in dem früheren bereits vorbaaden geweaena
BriBnerangifiiat fir dk im laufe dea laadirMhadiaflllcihaa Jahrea Verstorbenen, nimltcb daa Opfar am Aneraeeleo-
feste, w«'t''b''<^ nnn am 2. Xoromber kirchlich begangen wird. Und seitdem das Sonnenjahr nun bei allen dentifchiTi
Volk!«;tämTnon jfleiehei maassen in Geltung ist, gelttn nach ihrem Qbcreinstimmenden Volksaberglnuben di.- j tzi^ß
Ni r.jahrsnaciit. die Zeit der Zwölften sammt der skandinaTischen Jnlnacht gleichermaassen wieder als die o)iein;üi;,fcn
Farthnüchto der Geister und Gespenster. Als eine gleiche in Oberdeutscbland bestandene Uebung dieses alten Ernte-
«nd Todtenopkn lat dk herShaite Wanallager Uahlsdt in Sdniaban anzusehen. Sie bat ehedem am Dieaatag nach
Anerseelei stattgefunden nnd wird jetzt im Oktober am Dienatag nach der Orosseu Kirchw<>ih daselbst gefeiert.
Keiner dieser beiden Termine hat eine kirchliche Weihe fdr sich ; ja auch von der jetzigen Grossen Kirchweih be-
hauptet man zu Wurmlingen im Orte selbst, sie sei kein kirchliches, sondern ein ursprünglich heidnisches Fest.
Und S. 815 : Noch gUt im jetzigen Kanton Thurgau der Gontentag, ein von d«r Kinderwelt der gauen Land-
aehnft gsmeindowebe begangenaa Jngendfeat. Er hrfiat ehanao aUgemein aadi der Eiatag. denn an ihm irird Jedea
8f!nillcind des Land«"« auf 'K'niiindekoeten ausgespi'ist. Im Städtchen Bi'-i.hi fsjen nennt man ihn 11ohlf<lein-Tag und
b«gelit ihn folgcndermaiuseii ; Die Jugend versammelt sich am Osterdicnjitagv ini i3<:liu]hauüo uod hält iiier nach Vor-
achrift eine Zweckrede zum Fenster hinaus. Darauf zieht sie mit der Ort^geistlichkeit processionsweise singend auf
den Gmbenplats ia der Vontadt, wo man tarn Öedicbtiüaa* ansgeatandener artUchar Kriegalaldon ein Gäbet apricht.
aMaaa ««itn fa* NaahbaTdSrMi Hobteatda tuid in dk «mKegaadea HSfb. Hier fo der lfdw der NagellnbhUhk,
die ilem DDrfleln den Namen gegeben hat, entzünden die Rrtni?mj7iEpeti das Osterfoner. whlitir^n die Foiersehi iben
und verzehren dabei die auf diesen Tag gebaekcnen ä<hmakküchk-iii. Dies soll, sagt inaa, zur Eriunercitg an alte
Kriegsläufc geechehen, bei denen Bischofszell verbrannt und die Bürgerschaft genöthigt worden sei, in dieser Hühle
Zaflnvht nnd Nahmng m. anchem. Daia dieae geaehicbtlkha Erlü&nuig liei der Bev&U^emng aelliat nicht antreichead
kl, geht ana «iaer twalten «ogkich felgandeB hervor; aetbalredcBd aber bleibt Mar beaondna der Naau dea Fea^
plat^csi nöhb'stein. Der Frautn IIoU Stein zeigt sich tnVnndlich in Werth^'ini^r fTerichts-Protokollen O^olf, Hea-s.
tiag. Nr. 12), ebenso sitzt im Waide bei Andreaiiberg Frau Kollo wcincad anl den drei t^rodsteinen. Prvhle, Harz-
aagea, 8. lä» IHcM Onrem «ataebirandaBMi GoBaU aatrtiüidi tw^&miBaidt HoUe bt iiymbolirirt nk dk in dar Soana
8
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Zudem scheint der Iloldakultus, wie überhaupt in ^liUeldeutschland, in wn^crfin lande selir
verbreitet gewesen zu sein. *) Nicht allein finden sich Spuren dieser Göttm in Ortsnamen, wie IIul-
dingcn, Hollerich, ') soodero auch UM flieh ihre Existenz durch unsere Sagen, unsere Kiuderreime
aod noaerai Aberglauben naclnraiBen.
Eüdlkih entfaiüt das Ameeht elaeD gans tigenfbUmtieben Zug. Es tat bekannt, daaa dOa GOtr
tümen als Naturweaen ädi andi uf die aehädliche Seite neigen können, und dann falkn sie oft
ganz mit den D-imonen za^mni^^n. sa?:t man in TTenneberg: am obersten wenle die HoUefrau
vcrhrannt. *) \Vie ia den Festfcueni übcrliaupt vielfache Verwandtscliaft sich vorfindet und manches
auf das eine Feuer ilbertragea niirde, was ur»prüuglich einem anderen angehörte» so finden wir auch,
ikhnlidi irie in unaecen Ameeht, in don luxembuiger Braudw des Buhnen, Butgaup genannt,
das ^pnboliBcbe Verimmen der Bae, Am Abende des enten Fastensenntaga idtndidi zllndeten
die JBnt^gc jeder Gemeinde vormals ein hochflammendes Feuer zumeist auf der nächsten AnhShe
an, wozu sie Stroh und Holz von Ilaus zu FTaus , heischen" gingen. Dies geschah unter gewissen
Cäreuiouien, auch tanzte man unter Gebet und Gesang um das Feuer. An einigen Orten gebraucht
man zum Abbrennen der Burgmp einen hohen Baum, der ganz mit Stroh umwickelt wird; an
der Spitze des Baumes biingC man dnen nüt brennbaren Stollen BvROUen 'Koib an. Nodi jetzt
flammt die Bmifaup an diesem Tage auf mancher AnhOhe. Den nngeztedeten SttiXkauft» nannte
mau Tturg, weshalb auch die.ser Sonntag den Namen Burgsonntag erhalten. Dies nennt man an
einigen Orten die Jlcxr verbrennen. Während die Bui-g brennt, gehen in einigen Gegenden die
alten Männer auf die Hulieu und beobachten, woher der Wind kommt. Dieser herrscht das ganze
Jahr. *) Auch in der Eifcl vexbramt man die Hexe bei solchen Feuern. Die Katze im Ameeht
findet 80 ibre ToUe &kläniog; da de ab die stete treue Begleiterin der Heie eiacheint Wolf
in seiner Zeitschrift f&r deutsche Mytliologie und Sittenkunde berichtet über einen schSnen
Brauch, der vordem in Schwaben befand, ui^ wo dn Sirokmonn unter vemhiedenen Güremonien
wohnende Götterfrau Huld, im Bann dei Wintersolsütiams gehalten und getrennt vom Geliebten, bis dieser, wenn dte
Sommcrsouno um Johanni den Solstitialpunkt wieder gewonnen hat, die Waborlobc durchreitet und mit einem heissen
Kups. Jia VenaubiTt*? »uj ihniu Sthhif i rwcrkt. Dann hält die Erl&ute in Gold»chahen ihren llocluLitstaiu, \sirft
den zu Gaste geladenen Menschen die Hochzeitskuchen ans, mau entzündet die Teikündendeo O^tcrfeuer und «cbkudert
die brennendea Fenerridor und Eolzscheibea an Schkndentäben zu TlrnL Daher heiatt dieses Fest rings am Boden-
fl<>e^i'litndä auch der Faakaiiitog. Der Tbvfaaer Ewtag irt Mhor nioht sa Omm, aondMS tat Jakobi. 2S. Juli» iw-
j^angau worden.
Far TUriDg«!, Fhnkm ini Hmmo ildlt m Grinn, Ujtb., 9Bt, tML
') Ati J r Mü^el orzählt man, Fnw BoSl habe üu«! Vutm jUMr, ibM ito di« Dnd«r hole. Hnahwlt tu a. 0.,
267; Wolf, Zeitschr. f. d. M., I. 194.
^ HlUiogtD, Utk. TM .771 i BraQjigia. Holtefaih, VA. t. 1885: HtUtagen.
♦) Mwnhwfdt a. a. 0., 727.
*) An einigen Orten gUit man als Zweck dieses Feuors an, man verbrenne die Burg auf der Früchtfu-ic'i» f:iuf
den Getreidefeldem), um e^ne gute Kormrnte zu erzidm. Vgl. auch Wol/, Zeitschr., I, 89. An denmlbtit Ja^o
niti ia eiaigen Gegendon Tirols derselbo Brauch begangen unter dem Kuam da» Hdkpfomifeuer. Bisweilen läast
BM^ biMUWBde B«isig- oder StnthbOnd«! fib«r dia SutfsbUr biowbrolkiB, vai am in Alten du Ssman/iMcftcMiwimt.
TgL AtaL, l, m Ig.
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verbrannt tnrd Ich erinnere hier auch an das Todtuu^mbrnt ym der Wioter, der Tod, m
Gestalt einer Strohpuppe in den Bach geworfen wird. "Wie im Luxembuiri^rlien die Fastnacht
begraben wurde, so gescliali dies auch für die Kirmes. Auf einem alten Karren ^ird ein
Str<Amam unter Geschrei im Dorf berumgefahrea und cudlich an irgend einem abgelegenen Orte
begcdwa oder wrtm w irt. *) In Spanten nnd lUlien wird ebenfidb «ne JPuppe^ die «it» ^Vmt, an
Mittfaaten m^rmmtt nacbdcn lie rnUtm «ntgwri gviägt ist Das Zenigen der alten Frau findet eidi
auch in Kroatien und Krain und bei den NerddaTen. Sollte dos ESnÜbaoptea des Strohmannes vor
seiner Verbrennun':' im Ainccht nicht in naher Beziehung mit diesem Zersigen stehen ? Die schot-
tischen Hochländer pllegen auf Weihnachten die Frau ins Feuer ncrfrn. Dom ausgefragenen
StrMüd, daa am Ende verbrannt wird, sucht maii iiauhg die Gestalt einer alteu Frau zu geben.
Am Rhein besteht der Brancfa, dasB tiner der ^ben« dte das Hob nun UartinafiBner einsamniehir
das Martbmnännchm heiast vnd sich Strohgeiviiide um Anne, Leib nnd Brine geiridcelthat«*) Den
mythischen Brauch, Strohhalme oder BQscbel bei der Ernte stehen zu lassen, habe ich oben erwähnt
In einigen Gegenden sprang man über diese mit bunten Bändern wie eine Puppe aufgeputzte Garbe,
der auch wohl das Vesperbrod der zuletzt fertig gewordenen Schnitterin eingebunden ward. *) In
Baiem irird nadi der lUhd ans stehen gddfdwran nnd andern Ihren ebie mensehfiehe Figur ge-
macht, die man den Aswald nennt Diese nird von den Haddien mit Bhunen gescbmtteht, dann
>) Der Jolunniitag wur dnit dae Zeit d«r FnuS» mi d«t T«ffiiAffena fKr «En Sottoliiu^ Jvgtmi. Tob 14.—
18. Jahre, ja noch drunter und drQbcr, f?i.:rt,» alles arm atid rfi^li. r;-.ter Tag« schaartcn sich mohrrr«» Tlr.ufoii, ti.uli
Alter, Vcrwandtoehalt, Gröme oder Kli ine meisten» nach Käme ra'Ijc haften abf^etheilt in einander unil d<?r Uiruu^'
i''j^Tmii. Zwoi führicn .l^Mi Hanf ri ai), der eine von dicaon beiden hielt einen Degon in d.r Hand und ging im Haas
hinauf, mit ihm ein anderer mit einem XoUwr, aber den dn weiaKs Ttkchlein gedeckt war. Der mit dem Degen fing an :
8t Johkmi Un ich gmannt,
Ich trag dfen Degen in mMn^r Hand ;
Wer uro den Degen streit (mit dem Degen),
Macht die- allerhegte Beat.
Dann fing der mit dem Teller aleo au:
Wie^ gemt b (uie) mn Thder dief oder vier,
Konhe mer trink» Wein oder Bicrl
War so den Tag Ober die Runde gemacht, dann ging's erst recht an mit dt>r Nacht Vor dem Hanse ein«'« von
ihnen ward ein w;iltij:er TrOmmel (ein ziemlich dicker fester PriiL-eli sclilAf;i n initti n auf dem Wege. Dana
wird der ;Stotzen mit Stroh 2, äinal umwickelt and ein Strokmann aas ihm gemacht, mit Kopf und Armen. Jetzt
bekommt er ein herrlich«! Ddd icn BtnmsB, wie nura lie gende itt telKger lAMenlt f nd«l 8o geiiwt mottehea
iha die Borscho jeder mit einem Degen, kanm rlt n Anc^'nUiftc cnsarteml bis das Zeichen zum Einbauen gegeben
wird mnd der einzelne seinen glöhonden Hel l- mmith zi icu kann. Auf l inmal HeH der Strchmann m vollen Flammen
un:l I 'til wird's tiiehtig von allen Seiten cinj^r'hauon. Nachdem so jeder der «Johannisbubi n' sein Mütliloin nin armen
ütroliiiiann gekühlt, beginnt das Odage, die Uaupt-Johannieteier. Um die crfochtenea Jolianni«ikT«>aiur wird jetzt Bier
utnl ^\^ in. Käs und Wiiit geknft, uf demaelheii Fhti Tiiehe md StttUe »«ilgNtellt. wozu die ganze Naehbarachaft
das ihrige thnt. Allee, waa nur niitthun will, kann mitthun, aber mnss auch sein Kriiglein Matisbeig-Baotien oder
NekaritaUen Wein und ein Laib Brod mitbringen. So gibt's dann eine grosse Abendschmaoscräi, die Ut mtt In die
Ibeht hinein dauert und die an Baum eino game Qim« einnehmen koBiitt.-Wolf, Zeitaehr. t dant. Myth., IT, 44»
*) Vpl. aueh Simrock, Jfyth., 56t.
») VgL Grimm. Myth., 742.
*) Wolf, Boitr., I, 48.
•) Sfanioek, Vjtb. S6ft Ate Mdi Mer «tne IMMgArsabe.
60 —
knieen alle iin Kreise und beten, zum Schluss wird heruingetanzt. ') liier ist an den üebrauch zu
crinuem, Strobwiscbe noch heutzutage an Stangen auf Wiesen und Felder zu stecken, um sie zu
hegen oder den Weg zu sperren. *) *
Hold» wurde nHinlldi achon tHHh in eine dlmoniaeiie GcatMlt terlidirt und tritt w tnmehrercD
G«geodea als InidEdiges MiittercbeD, als grauköpfige Alte mH langen TSUum auf, nnd sehon LnCber
vergleicht die Gott widerspenstige Natur iint der lieiiliiischen Gdttb, wie ^ in Volksau&ügen auf-
trat: ,hie tritt fraw Tliilde lierftir mit der potznasai, die natur \m\ darf irem gott widcrpellen und
in lügen strafen, hengt umb ach ircn alten stroharnss (Strobhamiscb) bebt an und scharrt daher
mit irer geigen." *)
Äusserst merkwiirdig ist folgender Brauch, der m unserem Flocken MenM:h vielleicht noch heute
bestdit. Dort ladet man am Hartinatag die Amtlente ein; auf dem Fflasler der mcbe vird dn
Kori verbrviuiit idier den die Aiufieaii Bpringeo oder gehen mooB. Darauf fiilgt der üUidie
Schmaos. Dies nennt man den Smmer verifame».
Das Verbrennen der Holda um die Herbstzeit lässt sie uns ala WlDtagettkdt erscheinen, von
der man glaubt, dass sie während der ?!irf.)en Winfcrmonatc gefangen genommen, (jeranht sei. Im
FrühUng erscheint sie von neuem, weil dann die Winterdämonen, die sie bisher gefangen hielten, von i
ihr abzulassen gezwungen änd. ^) Mannhardt hält sich zu dem höchst wahrscheinlichen Schluss
berechtigt: Im Winter gebt der Pflanzenreichthttm ins Elbenreidi und Itehrt m hier im FrOhUng
mrttck. •) —
Grimm Terrautbet, das die grossen VoDBrorsanunlungen, die nngebotenen Geridite oder Dinge,
sicli auf heidniscJte Opfrrfe^fe frriliidoten. ") Das Aniecht kann diese Vennuthung nur unterstützen.
Ohne Zweifel, axgt derselbe Schriftsteller, ') war feierlielie Yolil.)riiii:ung der liechtBgebl^Ulcbe und
SchUchtuiiu; der Reelitshändel im Ileidentliiuii mit lidtiii'ms(irhranrltm verbunden.
Von den drei ungebotencn Gerichten (Winter-, Sommer- und llerbstgericht) fiel das Uerbsi-
geridU mdiat in den Sqitember oder Oiitdber.^ Bei den Alamannen war es
Dienatags, an wdebem das Goidit abgdudten wurde.') Die alten Gerichte wurden nie anders ala
im Freien gehalten, und wenn auch auf Wiesen, Auen, im Wald, auf einer Anhöhe oder an einer
Quelle, m bezeichneten doch besämmle SSum die Gerichtastätte,'*) am häufigOeH JUadm,^^) weniger
') Wolf, Beitr., II, 104.
') üriraiii, Kecht«altcrtliamer. 2. Auijf., 8. 195.
») Mannhardt a. a. 0., 258. V^fl. Örinim. Myth-, 247.
*) Vgl. Mannhardt a. a. 0 , 505, 727, 171.
') MaanluMttt a. a. 0., 470. V^l. ebeod., 4«7-471.
*) KA., m. *
') RA., 71.->.
') Vgl. Grimm, iU., 824.
•) Vgl. Grimm, KA., 820.
>«) TgL Grimm. KA., 794.
") Im Sehtfllmw^rfhunb von Oaren hci*?t es : Kart ain weist der Rclieffen , wan die cdell hcro jeiuants auff den
leib gefantriMi lu>tti"n, Jass .l.;r scharffrii lii. r darüber quoiiie, uml l^'tln.U r-ii Ii i:i siMnor luidstliatt däss er zum luxh-
geriolit u'rvrdbst wardt, m sali der scharpfrichter dea lerem zu Oluen under dit Undt üa dea st«jU, o. ». w. Hardt -
Inz. VefartlilbDMr, 579. ~ Noch jrtit bcOndel aleh ia Dortmund Ii« rdMäcdir.
«1
lAnfig Eichen und selteoer andere Bäume. ') Wir liaben oben ans der StrohhUtte den Baum hervor-
ragen sehen; dass dieser Biiuin ursiiritnglidi die Linde war, dürften wir anzunelimcn bereditigt
sein; denn die Linde i^t der lieilige Baum der Holda,') der iiu Amccht das £riitedatikopfer gefeiert
wurde. Wie der Holda die Grenzen heilig waren, so werden auch ohne Zweifel die Gerichte, die
unter iltrem hoO^ien Baimi, dem GerieliiabaiiiD, abgdulteii mirden, unter der Obhnt dieaer hdmn
CKittin ^etanden haben.') In jedem Dorfe in Sacliaen, sagt Montanua/) sdion vor Karl dem
Grossen, stand eine Linde, uni welche das Volk m Beratbscblagnng suaamnieaftam, in» Geriebt
gehalten und Volksfeste gefeiert wurden.
Der Äreis, der das ganze Amecht einschloss, ist die ältesäte und üblichste Gestalt der Ge-
richte; ^) die Uegung und Sicherung gegen den Andrang der Menge ward, wie bei den alten
Mschen Geridtten, naCb der altertliiinilidiBtei der iiodtiaGhen, vorgenommen, indem Stibe
dogerammelt und Schnüre darum gezogen wurden. *)
In Beaig auf diese geriebiUebe Seite des Amecbts mOaBen sich aneh andenfirts in Deutachtaiid
UmUche Überbleibsel des ungeliofenen Dings erhalten haben. „Wie am Niederrhein, so treten im
Siebenbürgor Sachscnland die Kn(>chte, d. i. die der Schule cntwacliscncn und konfirnürten Burschen,
in eine organisirte KOrpcrscliaft zusaniiueii, zu welcher auch die jahrgedingten Knechte, wenn sie
gleich nicht aus demselben ürte sind, bei ordentlicher ÄufiUhrung gezogen werden. Diese KOrpcr-
Bdiaft beimt die Bradenehaft, ist eine «alte, ihrem Wesen naeh Ureblid» Emriehtang, nnd liat
ihre genau begrenzte Gerichtsbarlieit unter edbatgewIbHen Beamten, vdche das gesammte Leben
der Brüder aus?or dem Ilaiisc beaufsichtigen und entweder nach althergebrachtem Gewohnheitsrechte
oder nach bestinuiit furumlirten Gesetzen (Brudcrschaftsartikchi) an festgesetzten Gerichtstagen
(zftgong, Zutrang) Streite sclilicliten, Recht sijrechen und strafen."')
„So ^en'^lliedenen Gebietern die Orte an der oberen Haardt auch angehörten, erkannten sie
im Haingcroidcgcbiet und denen Angelegenbeiten hdne andere ObeAenUdABit in als Xsiaer ud
Beieb and wiesen jede EfamdBcbang des Landesbem eneigisdi zurück. Die Haingeraidebaoero
luelteu das altgermanische Selfgovemement eifersüchtig und mit aller Kraft aufirecht. Aus ihrer
Mitte wählten sie die Geraidevoretände, den Schultheiss, die Dorfmeister und Zugeordneten oder
Geschworenen auf Lebenszeit; in ihren Händen lag die Regienings- und Kichtergewalt. Ein Geraide-
schreiber wurde beigegeben und jedes Julir der Zentenbergcr (ceuteuarius) gewählt, dem die exe-
laOxm Gemlt Ubartngen mr imd don acht bis zvOlf Eneebte nur Seite standen. In einigai der
onteraa Geralden hatte der BiacboC von Speier ata Lsadealieir das Wildxeebt und Fisehteebt, aber
') Vgl. Oniurn, RA., 795, 796, 797.
VgL Simrock, Ujtb., 413, 419} Wolf» Bäkt., 1S8-170.
*) BinnM^ a. a. 0., 419. Li rinm gariebUkhai FMekntt vw 114» hema/k cb Iranm Odlm Sam la der
OHnarkuug Höhfeld, BQdustUdi TW Wttlbeiin, Vitt. Wdf, ZattHlv., lY, 19.
*> A. ». 0., n, 155.
•) Grimm, Bi. , 80».
*) Grimm, RA., 809.
*) Schulter, m tng« ttbar du Hwkanft d«r Saduta in SieboDbOrffen, teMuirt in MmimU ytentarUattj, 1800,
a*9.
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sonst durfte er sich nicht in Haingeraidesachen miscbeD. Beschwerden gegen die Gemeinden muEstes
TOP den Geraideetohl gebracht werden, .dam der Oeraiden Becbt und UMAnrnmum ist, dass sie
nieht Khnldjg vjti, an kebiem End anden, daim off der GenddflnmatBtett sn leelitai« Bedt miA
Antwort zu geben." — Apellirt wurde in früheren Zeiten nor an das kaiserliche Gaugeridit auf dem
Stahlbühl zu Lutramsforst. — Jeder Gtraidcf:cno«8 konnte in der Gprairle sich soviel Hol/ nehmen,
als ihm beliebte; nur durfte er es nicht ausserhalb der Gemeinschaft verkaufen. Frevel aller Art
wurden mit Geidbussen gerügt, am höchsten die Wegnahme von Ffiüidem ans den .Freihöfen"
und Gewaltthätigkdt«! bei den öffentlichen Venaimnluiigen. Nur auf den angdegten Waldbrand
stand Todesstrafe, die im Darmausreissen und an ikii Biuitu Binden bestand, ^das weiset die Geraid
zu Recht'' ! In dieser Weise bestanden die Haingeraiden bis in die aivanziger Jahre dieses Jah]>
hunderts."')
pTn dem Tiorflwf«;tlichen nieür- fle^ Kirchspieb Ankum in der Provinz Hannover findet man
noch ein Stuck altdeutscher Freiheit. Alljährhch am ersten Donnerstag im Mai versammeln
sieh 116 freie Männer unter einer iMtde sn Bockraden zur Berathung ihrer gemdniehaitlichen
Gemeinde« und Marksngetegenlieiten. Man nennt ^ese VerBMnndung das EBStSng der Bin»
ninger Sette. Die Übt die freie Verwaltung der eigenen Angelegenheiten dordi den fre^
wlililtcn Schriftfülirer als eigentlichen Leiter derselben und liat ihre selltstgewahlten amtsseitip bc-
ddigteu Mark- und Wasserschau- Aufseher, die über Brücken , Wege und Gcmcindeirninde Aufsicht
führen. Die Gemeindevorsteher haben diese in ihren Eeclilen und Pflichten durch Einziehung der
Btftchteaifelder zn vuteiisttttwn. Bei dieser Vetsanmilcuut wiid ans attdentschem Kruse das Bier
iitei TenbNkht and eiUUt jedes Ecte I Iiis 3 Thakr, in diesem Jahr 1 TUr. 10 Sgr. Ab^echsaind
mOasen drei Kolonen am Tage vorher drei schwere Schwarzhrodc liefern, todche an die Armm
vcriMU Wiarden, Beim fröhlichen Methbecber werden dann die Madcangelegenheiten berathen.
U. s. w."
Das „Ausreiten" des Amccbts fiel in den früheren Zeiten mit der Kirmesfeier zusammen. Nun
ist aber unzweifelhaft, „daas der Ursprung deijeuigen Volksfeste, die wir jetzt Kirmes nennen,
in icniem Atterthnm, in TOcdnisÜidier Zeit ni soeben iat*.^ Es ist ganz uMbrUdi, dssB die VeOc
in seine Kinnesfieste ^ alten fcUgiSsen Erinnemn^ md BcSnefae liveinsgg, die geeignat warai,
das Fest zu erheben und die Freude n vergrSsBem.*)
So findet man neeb heute nllerwärts in Deutschland tllwrbleibBel alter ToDnbiSnche, die ans
den alten VoUsvenammlnngen entstanden shid. «Auch dramatische Anfitttge» sagt Montanas,*) und
>) Deck«r, die Pfalz uivl <li' Pfah r, reccnsirt in Hemels Litentstblatt, 18S8, Nr. 42.
») Köln. VolkszeitUDg , 1871, Nr. 140, 2. Bl.
*) Hontaniu a. a. 0., I, 57. .Klare A]i3«iitmiff«n dafBr, fQ;^ Montanw Unni. find«» tieh mtar andern in «Iteil
GcscttstcUen , r. B. in der constitutio d.s Friiikcnliiiiiips Dai^obcrt ,do mcrcatu nJ fanam habenJo", in der Charta
Childeberti regia Fnnc, dann in Kninard Appcnd. ad Greg. Toron. p. 13S4; im Cisarius von Hcisterbacb Ub. SIL
c SSL IbUUoB 4« lüfL fiK TI 482 nnd 48». in d«r Vita Mti Olni fl. SB. VaaUni Urt. floO. cte.*
«) Vgl. elend.
>) Ebend., I, 7.
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andere Volksfefite fiuMl«Q froher in den QnibAii Statt. Zorn Hemngedinge und air VerUtaMUgonff
von Gflaetnn vnd Terordnongen worden dieedbcn «Ugemein noch im vorigen Jahrhundert benubl.
Was aber von den Bräuchen der frühem Volksversammlungen als heidnii^ch aus ilor Kirche vor und
nach vcrdräiis^t v\Tirde, das erhielt sich doch im Voll<e noch lange Zeit fort. Die kriiftigsten Bursche
der GoiüoiiKle blieben in gewLsem Vereine fiir die Erhaltuug solcher Vulksbriluclie thäti?. Diese
altehrwurdij^en Jünglings-Vereiue bestehen in einigen Gcmcindeu noch heule fort, unter dem Namen
der Junggeseneuchnft, der ScliQtzen1»ttderachaft, der Beihjungen oder Gdagi^ttn^Qngs o. e.
nnd dieee tuben dort noch ioiner die Leitung der Volhsfeste und fiben alle ObUogenheiten der
altdeutschen Friestcrscliaft. Sie bewahren die BrUuche der Mainacht, Weibnacht, Pfingstnacht, der
Schnuht und der Kirmes, der Martiosnacht und anderer Feste, wachen für Zucht und Sitte,
gpendeo der jungfi-aiuUchen Tugend die Ehre des Maibaums und strafen die Zuchtlosigkeit mit der
Sdunach dea Hidcerlingstreuens uid der Züchtigung iet fnrdtfhann Tyrjagd. Sie mehen dafi^,
dasB hA den Festen dem Älter die ihm gebOhiende Ehre erzeigt werde und treten jeder
•DDg des Obttmnthes, jeder Zncbtkd^t entgegen."
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GENEitAL LIB«AWr
^jffgftMmt Ot CAIHORNIA-BERKEI
RETÜRN TO DESK FROM WHICH BORRüWED
JP."' - - - . .
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